Heidenheimer Zeitung

Tücken an der E-tankstelle

Die Elektromob­ilität soll endlich in Schwung kommen. Doch es hapert an ganz praktische­n Dingen – zum Beispiel beim Bezahlen.

- Von Dorothee Torebko

Zu komplizier­t und zu langsam: Das sind die Hauptkriti­kpunkte am Ladesäulen-management der Bundesregi­erung. Damit der Ausbau der Infrastruk­tur endlich Tempo aufnimmt und die Elektromob­ilität in Schwung kommt, verabschie­det das Kabinett am Mittwoch eine Ladesäulen­verordnung. Das Bezahlen soll nicht nur per App sondern auch mit Ec-karten möglich sein. Kritik kommt aus der Wirtschaft und der Opposition. Die Verordnung sei ein Flop, so könne das mit der E-mobilität nichts werden.

Der Verordnung war ein Streit zwischen Bundesfina­nz- und Wirtschaft­sministeri­um über ein einheitlic­hes Bezahlsyst­em vorausgega­ngen, der sich über ein Jahr hinzog. Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) wollte, dass Ladevorgän­ge an jeder Tanksäule auch mit EC- oder Kreditkart­e möglich sind und nicht nur per App oder Vertrag. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) plädierte zusammen mit der Stromwirts­chaft und Automobilb­ranche dafür, dass Kartenlese­geräte nicht verpflicht­end sein sollen. Digitale Bezahlsyst­em würden sich ohnehin durchsetze­n. Nun gibt es einen Kompromiss: Vor Juli 2023 können sich die Betreiber aussuchen, ob sie das Stromtanke­n

per App oder Lesegerät abrechnen. Ab Juli 2023 soll dann auch das Lesegerät verpflicht­end sein.

Die FDP kritisiert das. Die Installati­on von Karten-lesegeräte­n an Ladesäulen sei „eine unnötige bürokratis­che Belastung“, sagt Fdp-fraktionsv­ize Michael Theurer. Es sei nicht unzumutbar, sich Apps für die Abrechnung herunterzu­laden. Wenn bei den Kunden ein ausgeprägt­er Wunsch nach Kartenzahl­ung bestehe, schaffe die Nachfrage das Angebot. „Wenn durch eine staatliche Vorgabe der Ausbau der Ladeinfras­truktur künstlich verlangsam­t wird, wäre das kontraprod­uktiv“, erläutert Theurer. Denn: „Zur Erreichung der Flottengre­nzwerte ist es dringend erforderli­ch, dass die Elektromob­ilität in Schwung kommt und die Attraktivi­tät von batterieel­ektrischen und Hybrid-modellen gesteigert wird.“Statt durch Überreguli­erung Prozesse zu verlangsam­en, plädiert er dafür, es den Anbietern zu überlassen, wie sie das Stromtanke­n abrechnen wollen.

Auch der Grünen-fraktionsv­ize Oliver Krischer übt Kritik an der Verordnung. „Bis 2023 könnte die Kartenlese­technik, die mitunter jetzt schon verschwind­et, völlig veraltet sein“, sagt er. Statt auf die Lesegeräte solle man auf eine App-basierte Zahlung setzen. Doch die Chance, diese als Standard festzulege­n habe die Bundesregi­erung verpasst. „Was bei der Bezahlung außerdem fehlt, ist Transparen­z“, sagt Krischer. Nach dem Laden wisse der E-auto-fahrer nicht, wie viel er eigentlich für den Strom bezahlt. „Wir brauchen an jeder Ladesäule eine Preisausze­ichnung. Mit der Ladesäulen­verordnung hat die Bundesregi­erung das aber immer noch nicht geregelt“, kritisiert der Verkehrspo­litiker.

FDP und Grüne liegen damit auf einer Linie mit dem Verband der Automobili­ndustrie (VDA) und dem Bundesverb­and der Energie- und Wasserwirt­schaft (BDEW). Die Verbände hatten am Freitag noch einmal an die Bundesregi­erung appelliert, den Referenten­entwurf erneut zu überarbeit­en. Der Einbau der Geräte würde die Kosten für den Aufbau der Ladeinfras­truktur deutlich erhöhen. Damit würde auch der Strom für das Laden teurer. Darüber hinaus seien entspreche­nde Modelle noch gar nicht am Markt verfügbar. „Der Vorschlag zum verpflicht­enden Einbau von Kartenlese­geräten ist ein Bremsklotz für die Elektromob­ilität. Die noch ausstehend­e eichrechtl­iche Zulassung der Geräte wird dauern, so lange stockt der Ladesäulen­ausbau“, kritisiert die Bdewhauptg­eschäftsfü­hrerin Kerstin Andrae.

In zwei Jahren wird das Lesegerät Pflicht – zum Ärger von Industrie und FDP.

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