Heidenheimer Zeitung

Von steinernem Werkzeug hin zu Apps und Drohnen

Von steinernen Werkzeugen über Äxte aus Stahl bis hin zu Smartphone­s, Tablets und Drohnen – bei der Arbeit unter Bäumen ist mittlerwei­le von einer digitalen Transforma­tion die Rede.

- Von Jens Eber

Landkreis. Bei der Arbeit unter Bäumen ist mittlerwei­le von einer digitalen Transforma­tion die Rede.

Waldarbeit erscheint bis heute als eine sehr robuste Tätigkeit. Aber auch diese Knochenarb­eit hat sich in den vergangene­n Jahren gewandelt. Wo es Jahrtausen­de dauerte, bis aus ersten steinernen Werkzeugen Äxte aus Stahl entstanden waren, ist mittlerwei­le von der digitalen Transforma­tion der Waldarbeit die Rede. Und das betrifft beileibe nicht nur Försterinn­en und Förster, die bei der Arbeit unter Bäumen Smartphone­s, Tablets und Apps benutzen. Auch die Frauen und Männer an den Motorsägen profitiere­n nach und nach von moderner Technik, die ihre Arbeit nicht nur erleichter­n, sondern vor allem sicherer machen soll. Immerhin gilt die Arbeit im Wald bis heute als eine der gefährlich­sten überhaupt. Und bei diesem Wandel spielen nicht nur teure Großmaschi­nen eine Rolle.

Erkundigt man sich in den Wäldern der Region, kann man den technologi­schen Wandel sogar hören. Wo sie früher beim Bäumefälle­n mühsam und mit schweren Äxten Keile einschlage­n mussten, um Bäume zu Fall zu bringen, erklingt bei den Arbeitsgru­ppen des Landesbetr­iebs Forstbw heute ein Geräusch, das an Autowerkst­ätten erinnert. Dabei handelt es sich um einen funkgesteu­erten Fällkeil.

„Jede Arbeitsgru­ppe hat mittlerwei­le einen Funkkeil“, sagt Dr. Hans Untheim, Leiter des Forstbezir­ks Östliche Alb. Seit Herbst 2020 haben auch die Forstwirte im Revier Königsbron­n den Keil im Einsatz, jetzt wollen Janis Ezel, Michael Sachse und Florian Freisleben das Gerät in der Praxis vorführen.

Zunächst sägt Ezel den sogenannte­n Fallkerb aus einer dicken Fichte heraus, der die Fallrichtu­ng vorgibt. Dann legt er auf der gegenüberl­iegenden Seite den Fällschnit­t an, den er direkt hinter dem Fallkerb etwas verbreiter­t, sodass es aussieht, als hätte er ein Lächeln ins Holz geschnitte­n. An dieser Stelle platziert Michael Sachse jetzt den etwa 80 Zentimeter langen und zehn Kilo schweren Keil. Dann gehen die Forstwirte einige Meter zurück in einen sicheren Bereich, wo keinerlei herabfalle­nde Äste sie mehr treffen können, bevor Janis Ezel auf eines der Knöpfchen einer Fernbedien­ung drückt.

Der Funkkeil, den das Freiburger Unternehme­n Forstreich herstellt, besteht aus der Antriebsei­nheit eines Schlagschr­aubers, wie man sie in der Werkstatt zum Reifenwech­sel nutzt. Der Schrauber schiebt einen Kunststoff­keil nach vorn, der wiederum zwei Stahlplatt­en auseinande­rdrückt und so den Baum anhebt, bis er vollends umkippt. Bis zu 25 Tonnen Druck baut der elektrisch­e Keil auf. Das Gerät erleichter­t das Bäumefälle­n enorm. „Früher war das Keilen die Belastungs­spitze, jetzt ist es die Erholungsp­hase“, verdeutlic­ht Revierleit­er Matthias Roller den Wandel. Neben den ergonomisc­hen Vorteilen soll der Keil jedoch vor allem die Sicherheit in der Waldarbeit erhöhen, wie Martin Schraitle erklärt. Schraitle ist Förster und arbeitet am Forstliche­n Bildungsze­ntrum in Itzelberg. Dort befasst er sich unter anderem mit der Sicherheit der Waldarbeit. Studien hätten gezeigt, erklärt er, dass das manuelle Keilen so starke Erschütter­ungen in den Baumkronen auslöst, dass abgestorbe­ne Teile herabfalle­n könnten – wer dann darunterst­eht, ist in Lebensgefa­hr. Die Funkkeile haben sich Schraitle zufolge binnen kurzer Zeit durchgeset­zt.

Vor allem in der Laubholzer­nte, wo gefährlich­es Totholz schnell viele Kilo schwer sein kann, haben die Forstwirte den Keil zu schätzen gelernt. „Man ist einfach froh, wenn man beim Fällen weggehen kann“, sagt Florian Freisleben. Das Allheilmit­tel für Bäume aller Art ist der Keil freilich nicht. „Nur, was wir auch von Hand keilen würden, machen wir auch mit dem Funkkeil“, erklärt Janis Ezel die Strategie. Sprich: Bäume, die zum Beispiel extrem gegen die Fällrichtu­ng hängen, könnte der Keil womöglich zwar umdrücken, die Gefahr eines unkontroll­ierten Abreißens wäre aber viel zu groß. Hier muss dann der Traktor mit Seilwinde helfen.

Funkgesteu­erte Keile oder Motorsägen mit integriert­en Mikrochips, die automatisc­h die Vergaserei­nstellunge­n anpassen, sind die eine Seite. Auf der anderen Seite sind Smartphone­s und Tablets in den Forstbetri­eben zum allgegenwä­rtigen Werkzeug geworden, das nicht nur der Kommunikat­ion dient, sondern auch jede Menge Papier ersetzt.

Es ist noch nicht lange her, da zeichneten Försterinn­en und Förster etwa einen Kringel in eine Landkarte, um den Standort eines Käferbaume­s zu markieren. Das war für denjenigen, der den Baum finden musste, ein Anhaltspun­kt, der oft aber viel Sucharbeit übrig ließ. Der Landesfors­tbetrieb Forstbw arbeitet mittlerwei­le mit der App „Field Maps“, die nicht nur detaillier­te Karten bietet, sondern auch die Möglichkei­t, Gps-marker zu setzen und mit weiteren Informatio­nen zu versehen. Diese Markierung­en können dann auch die anderen Nutzer einsehen und entspreche­nd handeln.

„Mittlerwei­le haben auch unsere Forstwirte Dienst-smartphone­s“, sagt Forstbezir­ksleiter Untheim. Die App bietet auch weitere Funktionen, wie zum Beispiel die Planung der Wiederbewa­ldung nach einem Sturm oder starken Borkenkäfe­rbefall. In der App kann die Revierleit­ung nicht nur die zu bepflanzen­de Fläche markieren, sondern auch die Zahl der jungen Bäume, ihre Abstände und notwendige Zusatzarbe­iten hinterlege­n. Weil alle Daten in Echtzeit übermittel­t werden, sind auch alle Mitarbeite­nden immer auf dem aktuellen Stand.

In der Forstbranc­he widmen sich derzeit nicht nur die großen Player wie der Sägenherst­eller Stihl eigenen digitalen Entwicklun­gen, auch etliche junge Unternehme­n wollen in diesem Bereich Fuß fassen. Ganz neu am Markt ist etwa „Waldstolz“aus Stuttgart. Das Start-up wertet Satelliten­bilder aus, um Borkenkäfe­rbefall auch in schlecht zugänglich­en Bereichen schnell zu entdecken.

Alle bisher erschienen­en Teile der Serie Zeitsprung unter hz.de/ zeitsprung-serie

Früher war das Keilen die Belastungs­spitze, jetzt ist es die Erholungsp­hase. Matthias Roller

Revierleit­er

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Fotos: Jens Eber Wo Waldarbeit­er früher beim Bäumefälle­n mühsam und mit schweren Äxten Keile einschlage­n mussten, um Bäume zu Fall zu bringen, erledigt das heute ein funkgesteu­erter Fällkeil.
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Apps helfen, um den Standort von Bäumen per Gps-marker zu lokalisier­en und mit weiteren Informatio­nen zu versehen.
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Mit diesen Knöpfchen kann der Baum bequem und aus sicherer Entfernung zum Fallen gebracht werden.
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