Von steinernem Werkzeug hin zu Apps und Drohnen
Von steinernen Werkzeugen über Äxte aus Stahl bis hin zu Smartphones, Tablets und Drohnen – bei der Arbeit unter Bäumen ist mittlerweile von einer digitalen Transformation die Rede.
Landkreis. Bei der Arbeit unter Bäumen ist mittlerweile von einer digitalen Transformation die Rede.
Waldarbeit erscheint bis heute als eine sehr robuste Tätigkeit. Aber auch diese Knochenarbeit hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Wo es Jahrtausende dauerte, bis aus ersten steinernen Werkzeugen Äxte aus Stahl entstanden waren, ist mittlerweile von der digitalen Transformation der Waldarbeit die Rede. Und das betrifft beileibe nicht nur Försterinnen und Förster, die bei der Arbeit unter Bäumen Smartphones, Tablets und Apps benutzen. Auch die Frauen und Männer an den Motorsägen profitieren nach und nach von moderner Technik, die ihre Arbeit nicht nur erleichtern, sondern vor allem sicherer machen soll. Immerhin gilt die Arbeit im Wald bis heute als eine der gefährlichsten überhaupt. Und bei diesem Wandel spielen nicht nur teure Großmaschinen eine Rolle.
Erkundigt man sich in den Wäldern der Region, kann man den technologischen Wandel sogar hören. Wo sie früher beim Bäumefällen mühsam und mit schweren Äxten Keile einschlagen mussten, um Bäume zu Fall zu bringen, erklingt bei den Arbeitsgruppen des Landesbetriebs Forstbw heute ein Geräusch, das an Autowerkstätten erinnert. Dabei handelt es sich um einen funkgesteuerten Fällkeil.
„Jede Arbeitsgruppe hat mittlerweile einen Funkkeil“, sagt Dr. Hans Untheim, Leiter des Forstbezirks Östliche Alb. Seit Herbst 2020 haben auch die Forstwirte im Revier Königsbronn den Keil im Einsatz, jetzt wollen Janis Ezel, Michael Sachse und Florian Freisleben das Gerät in der Praxis vorführen.
Zunächst sägt Ezel den sogenannten Fallkerb aus einer dicken Fichte heraus, der die Fallrichtung vorgibt. Dann legt er auf der gegenüberliegenden Seite den Fällschnitt an, den er direkt hinter dem Fallkerb etwas verbreitert, sodass es aussieht, als hätte er ein Lächeln ins Holz geschnitten. An dieser Stelle platziert Michael Sachse jetzt den etwa 80 Zentimeter langen und zehn Kilo schweren Keil. Dann gehen die Forstwirte einige Meter zurück in einen sicheren Bereich, wo keinerlei herabfallende Äste sie mehr treffen können, bevor Janis Ezel auf eines der Knöpfchen einer Fernbedienung drückt.
Der Funkkeil, den das Freiburger Unternehmen Forstreich herstellt, besteht aus der Antriebseinheit eines Schlagschraubers, wie man sie in der Werkstatt zum Reifenwechsel nutzt. Der Schrauber schiebt einen Kunststoffkeil nach vorn, der wiederum zwei Stahlplatten auseinanderdrückt und so den Baum anhebt, bis er vollends umkippt. Bis zu 25 Tonnen Druck baut der elektrische Keil auf. Das Gerät erleichtert das Bäumefällen enorm. „Früher war das Keilen die Belastungsspitze, jetzt ist es die Erholungsphase“, verdeutlicht Revierleiter Matthias Roller den Wandel. Neben den ergonomischen Vorteilen soll der Keil jedoch vor allem die Sicherheit in der Waldarbeit erhöhen, wie Martin Schraitle erklärt. Schraitle ist Förster und arbeitet am Forstlichen Bildungszentrum in Itzelberg. Dort befasst er sich unter anderem mit der Sicherheit der Waldarbeit. Studien hätten gezeigt, erklärt er, dass das manuelle Keilen so starke Erschütterungen in den Baumkronen auslöst, dass abgestorbene Teile herabfallen könnten – wer dann daruntersteht, ist in Lebensgefahr. Die Funkkeile haben sich Schraitle zufolge binnen kurzer Zeit durchgesetzt.
Vor allem in der Laubholzernte, wo gefährliches Totholz schnell viele Kilo schwer sein kann, haben die Forstwirte den Keil zu schätzen gelernt. „Man ist einfach froh, wenn man beim Fällen weggehen kann“, sagt Florian Freisleben. Das Allheilmittel für Bäume aller Art ist der Keil freilich nicht. „Nur, was wir auch von Hand keilen würden, machen wir auch mit dem Funkkeil“, erklärt Janis Ezel die Strategie. Sprich: Bäume, die zum Beispiel extrem gegen die Fällrichtung hängen, könnte der Keil womöglich zwar umdrücken, die Gefahr eines unkontrollierten Abreißens wäre aber viel zu groß. Hier muss dann der Traktor mit Seilwinde helfen.
Funkgesteuerte Keile oder Motorsägen mit integrierten Mikrochips, die automatisch die Vergasereinstellungen anpassen, sind die eine Seite. Auf der anderen Seite sind Smartphones und Tablets in den Forstbetrieben zum allgegenwärtigen Werkzeug geworden, das nicht nur der Kommunikation dient, sondern auch jede Menge Papier ersetzt.
Es ist noch nicht lange her, da zeichneten Försterinnen und Förster etwa einen Kringel in eine Landkarte, um den Standort eines Käferbaumes zu markieren. Das war für denjenigen, der den Baum finden musste, ein Anhaltspunkt, der oft aber viel Sucharbeit übrig ließ. Der Landesforstbetrieb Forstbw arbeitet mittlerweile mit der App „Field Maps“, die nicht nur detaillierte Karten bietet, sondern auch die Möglichkeit, Gps-marker zu setzen und mit weiteren Informationen zu versehen. Diese Markierungen können dann auch die anderen Nutzer einsehen und entsprechend handeln.
„Mittlerweile haben auch unsere Forstwirte Dienst-smartphones“, sagt Forstbezirksleiter Untheim. Die App bietet auch weitere Funktionen, wie zum Beispiel die Planung der Wiederbewaldung nach einem Sturm oder starken Borkenkäferbefall. In der App kann die Revierleitung nicht nur die zu bepflanzende Fläche markieren, sondern auch die Zahl der jungen Bäume, ihre Abstände und notwendige Zusatzarbeiten hinterlegen. Weil alle Daten in Echtzeit übermittelt werden, sind auch alle Mitarbeitenden immer auf dem aktuellen Stand.
In der Forstbranche widmen sich derzeit nicht nur die großen Player wie der Sägenhersteller Stihl eigenen digitalen Entwicklungen, auch etliche junge Unternehmen wollen in diesem Bereich Fuß fassen. Ganz neu am Markt ist etwa „Waldstolz“aus Stuttgart. Das Start-up wertet Satellitenbilder aus, um Borkenkäferbefall auch in schlecht zugänglichen Bereichen schnell zu entdecken.
Alle bisher erschienenen Teile der Serie Zeitsprung unter hz.de/ zeitsprung-serie
Früher war das Keilen die Belastungsspitze, jetzt ist es die Erholungsphase. Matthias Roller
Revierleiter