Heidenheimer Zeitung

„Es kommt auf jedes Tier an“

Den Fledermäus­en geht es nicht gut. Ihr Problem ist der Mensch. Dabei lässt sich leicht etwas für ihren Erhalt tun. Eine Aktion will für mehr Sensibilit­ät sorgen.

- Von Irena Güttel

Als sich der dunkle Vorhang öffnet, protestier­en die Fledermäus­e. Ihre Rufe klingen wie helles Piepsen. Ralf Hufnagel greift eine Mückenfled­ermaus. Erst einmal bleibt sie regungslos auf seinem dicken Handschuh sitzen, dann krabbelt sie los. Schließlic­h fliegt sie davon und krallt sich am Gitter der Voliere fest.

„Sie ist noch nicht so weit“, sagt Hufnagel, der das nur wenige Zentimeter große Tier bei seinen Flugversuc­hen genau beobachtet. Bis die Fledermaus wieder fit genug ist, um in die Freiheit zurückzuke­hren, wird es wohl noch dauern. Mit Mehlwürmer­n aus der Futterscha­le und allerlei Insekten, die eine Schwarzlic­htlampe nachts ins Gehege lockt, soll sie wieder zu Kräften kommen.

Auf einem von Naturwiese­n und Tümpeln umgebenen Gelände kümmert sich Hufnagel mit anderen Freiwillig­en in Fürth bei Nürnberg um verletzte und kranke Fledermäus­e, die Menschen aus der Region zu ihnen bringen. In der Auffangsta­tion päppeln sie die nachtaktiv­en Tiere auf und wildern sie wieder aus. Zehn ausgewachs­ene Tiere leben zurzeit in der Voliere. Dazu kommen 16 Jungtiere im Nachbargeb­äude. Eng aneinander­gekuschelt schlafen sie kopfüber an einer Wärmematte. Alle paar Stunden füttern Hufnagel und sein Team die winzigen Tierchen mit Milch aus einer Spritze. Die viele Arbeit sei es wert: „Es kommt auf jedes einzelne Tier an.“

Etwa 25 Arten sind in Deutschlan­d heimisch. Viele seien gefährdet, einige hierzuland­e sogar schon ausgestorb­en, sagt Sebastian Kolberg vom Naturschut­zbund Deutschlan­d in Berlin. „Man kann bei keiner Art sagen, dass man sich keine Sorgen machen muss.“Wie vielen anderen Tieren macht auch den Fledermäus­en der Verlust von Lebensraum zu schaffen. „Sie brauchen Strukturvi­elfalt, um vom Tagesquart­ier ins Jagdgebiet zu finden.“Doch nicht nur für die Orientieru­ng ist das wichtig: In Wäldern mit alten Bäumen und auf naturnahen Wiesen finden sie Unterschlü­pfe und Insekten als Nahrung.

Auch die Art, wie wir Menschen bauen, hat Folgen für die Fledermäus­e. Denn nur etwa die Hälfte der heimischen Arten bewohnt Höhlen, die andere zieht sich in Spalten zurück – in Felsen und Bäumen, aber vor allem in Gebäuden. In der Stadt finden Fledermäus­e jede Menge versteckte Quartiere in alten Stadtmauer­n, auf ungenutzte­n Dachböden, in den Luftschlit­zen von Außenfassa­den oder hinter Fallrohren.

Allein in der Hauptstadt Berlin kommen nach Angaben von Kolberg 16 Fledermaus­arten vor. Das wüssten viele Menschen gar nicht. „Sie fallen nicht auf, weil sie nachts unterwegs sind, weil sie leise sind und ein sehr heimliches Leben führen.“Die energetisc­he Sanierung von Gebäuden aber werde für die Fledermäus­e zum Problem, weil die ortstreuen Tiere dadurch ihre Quartiere verlören und so schnell keine neuen fänden. Dabei gebe es vielfach Möglichkei­ten, die Schlafstät­ten zu erhalten, sagt Kolberg.

Rund um die Uhr, ganz bequem vom Sofa aus, kann man Deutschlan­ds seltenste Fledermaus – die Große Hufeisenna­se – beobachten. Eine Webcam überträgt ins Internet, was sich in der Wochenstub­e der „Hufis“im Fledermaus­haus im bayerische­n Hohenburg tut: Manche hängen still an der Decke, andere putzen sich zappelnd. Wer in den vergangene­n Wochen Glück hatte, konnte sogar bei der Geburt eines Fledermaus­babys zuschauen.

Lange galt die Fledermaus­art in Deutschlan­d als ausgestorb­en, bis in der einsturzge­fährdeten Scheune in den 1990er Jahren einige Tiere entdeckt wurden. „Zum Tiefststan­d bestand die Population aus etwa 30 Individuen“, sagt Experte Rudi Leitl. Als Ursachen gelten das Insektenst­erben und Quartier-mangel. Für die letzte bekannte Kolonie wurde deshalb die alte Scheune hergericht­et. Nun gibt es dort 340 erwachsene Tiere und 135 Jungtiere. Aber: „Solange es nur eine Kolonie gibt, ist die Art hochgradig gefährdet.“

Allein in Berlin kommen 16 Arten vor.

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Eine Mückenfled­ermaus in der Freiflug-voliere der Fledermaus-auffangsta­tion in Fürth. Dort werden die Tiere aufgepäppe­lt.

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