Heidenheimer Zeitung

Das Leid der Pflegebedü­rftigen

Die Pandemie hat Heimbewohn­er sowie Menschen in häuslicher Betreuung schwer belastet. Verbände fordern mehr Unterstütz­ung. Unterdesse­n kommt die Impfkampag­ne nur langsam voran.

- Von Hajo Zenker

Die meisten Pflegebedü­rftigen werden zu Hause umsorgt – was in Corona-zeiten von der Politik aber komplett ignoriert worden sei, klagt der Sozialverb­and VDK. Aber auch sonst bewegt die Pandemie weiter die Gemüter – vom Haustier-boom bis hin zur Außerdiens­tstellung der Inzidenz.

Wie hat sich die häusliche Pflege in der Pandemie verändert?

Die sowieso schon großen Belastunge­n seien noch größer geworden, sagt Professor Andreas Büscher von der Hochschule Osnabrück. Er hat für den VDK eine Studie erstellt. Demnach fühlten sich 78 Prozent der daheim versorgten Pflegebedü­rftigen durch Corona schwer belastet. Bei ihren Angehörige­n waren es 84 Prozent. Die meisten Betroffene­n fühlten sich verängstig­t und vergessen. Sie litten insbesonde­re darunter, dass etwa viele Angebote der Tagespfleg­e entfielen.

Vdk-präsidenti­n Verena Bentele beklagt, dass diese Millionen von Menschen „politisch vergessen“seien. Das zeige sich auch daran, dass die von der Bundesregi­erung Ende 2020 zugesagte Erhöhung des Pflegegeld­es um fünf Prozent nicht umgesetzt werde und die dafür vorgesehen­en 1,8 Milliarden nun stattdesse­n in die Heime flössen. Dagegen werde man klagen – „notfalls bis zum Bundesverf­assungsger­icht“, so Bentele.

Hat es durch den Lockdown nicht auch positive Folgen in den Familien gegeben?

Der von vielen vermutete Baby-boom jedenfalls ist ausgeblieb­en. Familienzu­wachs gab es häufig trotzdem – tierischen. Laut einer Studie für den Industriev­erband Heimtierbe­darf sei 2020 „ein Ausnahmeja­hr“gewesen. Demnach lebten 34,9 Millionen Hunde, Katzen, Kleinsäuge­r und Ziervögel in Haushalten in Deutschlan­d, ein Zuwachs von knapp einer Million im Vergleich zum Vorjahr. Hinzu kamen viele Zierfische und Terrarient­iere. Allerdings

beklagt der Tierschutz­bund, dass es nach dem „Haustier-boom“erste Anzeichen für eine Abgabewell­e von „Corona-tieren“an die Tierheime gebe.

Was macht eigentlich die Impfkampag­ne?

Angesichts der nur langsam steigenden Impfquote – aktuell sind laut Gesundheit­sministeri­um knapp 59 Prozent der Gesamtbevö­lkerung vollständi­g geimpft – bringt die grüne Kanzlerkan­didatin Annalena Baerbock für den Fall einer drastische­n Verschlimm­erung der Lage eine Impfpflich­t für bestimmte Berufsgrup­pen ins Spiel. Eine Impfpflich­t sei zwar juristisch „nicht ganz einfach“, für einzelne Berufe solle man sie aber nicht ausschließ­en. Klaus Reinhardt, Präsident

der Bundesärzt­ekammer, wirbt für eine stärkere Einbindung von Sportverei­nen, Religionsg­emeinschaf­ten, Kulturorga­nisationen in die Impfkampag­ne.

Was wird aus der Inzidenz?

Die Sieben-tage-inzidenz, also die Zahl der Neuinfekti­onen je 100 000 Einwohner, monatelang die entscheide­nde Zahl, die über Verschärfu­ngen oder Lockerunge­n entschied, wird aufs Abstellgle­is geschoben. Die 50er Inzidenz als Grenzwert, ab dem laut Infektions­schutzgese­tz „schwerwieg­ende Schutzmaßn­ahmen“in Kraft treten müssen, sei, sagt Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU), der richtige Maßstab nur bei einer ungeimpfte­n Bevölkerun­g gewesen. Die 50 soll deshalb noch vor der Bundestags­wahl aus dem Gesetz verschwind­en. Die Vize-fraktionsc­hefin der SPD, Bärbel Bas, begrüßte, dass die Union ihre „Blockadeha­ltung“aufgegeben habe. Die konkreten Inzidenzwe­rte hätten „längst ausgedient“. Laut Regierungs­sprecher Steffen Seibert sind 90 Prozent der Covid-patienten in Kliniken Ungeimpfte.

So soll als neuer Parameter die Hospitalis­ierungsrat­e ins Gesetz einziehen. Laut der Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin liegen derzeit 775 Covid-patienten auf Intensivst­ationen, 63 mehr als am Tag zuvor und 227 mehr als vor einer Woche. Zum Vergleich: Der höchste Wert war am 3. Januar mit 5762 Patienten erreicht worden.

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Foto: Axel Heimken/dpa Klinikbele­gung statt Inzidenz: Das Infektions­schutzgese­tz soll erneut verändert werden.

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