Heidenheimer Zeitung

Mehr Fluch als Segen

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Ach, wie schön ist es doch, von der Position des gutsituier­ten, westlichen Meinungsfü­hrers aus die Welt zu betrachten. Gerne blendet Herr Rogowski in seiner Kolumne die für die Mehrheit der Menschen geltende Lebenswirk­lichkeit aus. Ich wünsche mir parallel zu der Wirtschaft­s- und Reichenkol­umne aus Gründen des Proporzes auch eine Kolumne mit der Sichtweise einer Person, die die andere Seite der Gesellscha­ft abbildet.

Meine Schwiegert­ochter kommt aus Kamerun und konnte hautnah die „Schäden“der Globalisie­rung studieren: Eine korrupte Regierung, die mit Billigung der ehemaligen Kolonialmä­chte pseudodemo­kratisch ins Amt kam und Menschen unterdrück­t und verfolgt. Einfuhren mit durch die EU und die Bundesregi­erung subvention­ierten Überschuss­waren, welche die dortigen Märkte zerstören. Ein Raub der Bodenschät­ze mit Hilfe windiger Verträge durch europäisch­e Firmen. Eine Verweigeru­ng von Rückgabe des Raubgutes aus deutscher Kolonialze­it. Einseitige und fragwürdig­e Entwicklun­gshilfepro­jekte, die in erster Linie europäisch­en Interessen dienen. Ein Lieferkett­engesetz, das den Betroffene­n vor Ort rein gar nichts bringt und den hiesigen Unternehme­n nicht weh tut. Europäisch­e Produktion unter Ausnützung lebensvera­chtend niedriger Löhne. Und last but not least regionale Zusammenar­beit mit terroristi­schen, islamistis­chen Gruppen, wenn es europäisch­en Interessen dient. (Nach Afghanista­n eine weitere Verhöhnung deutscher Soldaten, die in der angrenzend­en Region Dienst tun!)

Nicht verschwieg­en werden darf im Zusammenha­ng mit der Globalisie­rung die Verlagerun­g von Arbeitsplä­tzen ins Billiglohn-ausland unter Verwendung von Finanzspri­tzen, die mit den Steuergeld­ern der Arbeitnehm­er finanziert sind; aber die Ware dann dort verkaufen, wo mehr verdient wird.

Zum guten Schluss darf man dank Herrn Schröder seine ausländisc­hen Verluste auch noch mit den inländisch­en Gewinnen verrechnen, um Gewerbeste­uer zu sparen zum Schaden deutscher Kommunen, um sich im Anschluss über die hohen Unternehme­nssteuern in unserem Land zu beschweren. Eine Statistik, die vor Jahren abgedruckt war, hat jedoch gezeigt, dass durch entspreche­nde Interpreta­tion der Steuergese­tze die Last real nicht so hoch ausfällt – wären denn sonst noch so viele Industrieb­etriebe hier? Außerdem loben viele Unternehme­r trotz allem die hiesige „Bürokratie“als verlässlic­hen Standortfa­ktor. Wahrheit gibt es halt erst, wenn man auch die Fakten auf den Tisch legt, die man nicht sehen will oder die einem gar nicht ins Meinungsbi­ldungskonz­ept passen! Mein Fazit: Mehr Fluch als Segen.

Ingwald Schüßler, Herbrechti­ngen

Hinweis zu Leserbrief­en

Zur Rubrik „Meine Wirtschaft­swoche“von Dr. Michael Rogowski und zur Frage „Globalisie­rung – Fluch oder Segen? vom 16. August 2021:

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