Heidenheimer Zeitung

Der große Ansturm

Während des Lockdowns zog es viele in die Natur – mit Folgen für Tiere und Pflanzen. So hat ein Ranger auf der Schwäbisch­en Alb die Corona-zeit erlebt.

- Von David Nau

So leer wie an diesem regnerisch­en Tag unter der Woche hat Florian Holzschuh den Wanderpark­platz am Eingang des Wolfstals nahe Lauterach im Alb-donaukreis schon lange nicht mehr gesehen. Gerade einmal drei Autos parken auf der großen Schotterfl­äche. „An einem schönen Wochenende ist hier alles voll, und auch an der Seite ist alles zugeparkt“, sagt Holzschuh und zeigt die schmale kurvige Straße hinunter. Der 27-Jährige ist Ranger im Biosphären­gebiet Schwäbisch­e Alb und schaut im Wolfstal häufig nach dem Rechten. Als Ranger ist er vor allem Ansprechpa­rtner

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AUFBRUCH IN DER PANDEMIE

für die Ausflügler, die das tief eingeschni­ttene und bewaldete Tal am Rande der Schwäbisch­en Alb besuchen, beantworte­t Fragen nach dem richtigen Weg oder erklärt auch mal, welche Pflanze da am Wegesrand so wächst.

Er ist aber auch dafür zuständig, zu überwachen, dass die Besucher pfleglich mit der Natur umgehen, ihren Müll wieder mitnehmen, auf den Wegen bleiben und seltene Pflanzen nicht niedertram­peln. „Durch Corona hat der Druck auf die Natur deutlich zugenommen“, sagt Holzschuh. In der Pandemie wurden die Erholungsg­ebiete im Biosphären­gebiet Schwäbisch­e Alb geradezu überrannt. Weit weg konnten und wollten viele Menschen nicht, und so drängten sie eben in die heimische Natur. Mit deutlichen Folgen: „Manche Menschen machen viel kaputt“, sagt Holzschuh. Sie gruben seltene Pflanzen aus oder wagten sich so weit vom Weg weg, dass sie brütende Tiere aufschreck­ten. „Die Menge an Menschen war einfach zu groß“, sagt der Ranger, der aber zugleich betont, dass er die Menschen gut verstehen kann, die im Lockdown etwas Zerstreuun­g und Bewegung in der Natur suchten: „Die Natur hier ist schön, und man kann viel entdecken.“

Staus auf den Wanderwege­n

Holzschuh bleibt kurz stehen und zeigt nach vorne. Dort verengt sich der Weg auf etwa drei bis vier Meter, seitlich ragen Felsblöcke empor. „Hier gab es im Lockdown richtige Staus, die Leute haben Fotos gemacht oder ein Schwätzche­n gehalten, und irgendwann kam man gar nicht mehr durch“, erinnert sich der Ranger. In dieser Zeit gab es auch Probleme mit Vermüllung, im idyllische­n Tal lagen häufig Masken herum.

Das Besucherkl­ientel habe sich während der Pandemie ebenfalls verändert, sagt Holzschuh. „Es kamen viele Menschen, die sonst ganz anderen Urlaub gemacht haben. Die wollten rumkletter­n oder mit dem Fahrrad quer durch den Wald fahren.“Vor allem Mountainbi­ker, die abseits der Wege unterwegs sind, sind ein Problem. Holzschuh zeigt auf einen Trampelpfa­d, der links vom eigentlich­en Weg einen Hügel

hinaufführ­t, im Matsch sieht man deutliche Reifenspur­en. „Da gab es früher keinen Weg“, erklärt der Ranger. Erlaubt ist das Fahren abseits ausgeschil­derter Wege im Südwesten übrigens nicht.

Und wieder betont der Ranger, dass er sich über jeden Besucher freue. „Aber das geht eben nur in dem Ausmaß, in dem es die Natur verträgt.“Die Mehrheit der Menschen halte sich auch an die

Regeln, weswegen die Ranger, wenn sie jemanden abseits des Weges erwischen, auch nicht sofort Bußgelder verteilen, sondern das Gespräch suchen und erklären, warum die Natur auch ihre Rückzugsrä­ume benötigt.

Holzschuh glaubt, dass der Andrang in den Naherholun­gsgebieten auch dann anhalten wird, wenn Fernreisen wieder möglich sind. „Urlaub im eigenen Land ist klimafreun­dlich, und unsere Region ist sehr abwechslun­gsreich. Das haben durch Corona jetzt viele bemerkt“, sagt der Ranger.

Damit die Natur diese zusätzlich­en Urlauber schadlos aufnehmen kann, gibt es einige einfache Grundregel­n, an die sich Ausflügler halten sollten: „Alles wieder mitnehmen, was man mitgebrach­t hat, auf den Wegen bleiben und sich nicht überschätz­en. Es gibt auch auf der Schwäbisch­en Alb Abschnitte, die alpine Ausrüstung verlangen“, rät Holzschuh. Außerdem gebe es eine ganz simple Möglichkei­t zu schauen, ob die Natur noch Ausflügler verträgt: „Wenn die Parkplätze voll sind, dann ist es die Natur auch und man sollte einfach etwas weiterfahr­en.“

Das wiedererwa­chte Interesse an der Natur vor der Haustür hat für den 27-Jährigen, der auf der Schwäbisch­en Alb aufgewachs­en ist und noch heute im Münsinger Teilort Böttingen lebt, auch viel Positives – vor allem für Kinder. „Es ist erschütter­nd, wie wenig sich manche mit der Natur auskennen“, hat der Ranger auch bei Touren mit Kindern bemerkt. „Ein zwölfjähri­ges Mädchen hat mir gesagt, es hätte heute zum ersten Mal in seinem Leben einen Fuchs gesehen.“

Wenn die Parkplätze voll sind, dann ist es die Natur auch und man sollte weiterfahr­en. Florian Holzschuh

Ranger auf der Schwäbisch­en Alb

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Auch am Uracher Wasserfall war teilweise die Hölle los, wie hier an Pfingsten.
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Florian Holzschuh ist Ranger im Biosphären­gebiet.

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