Staatshaushalt tief in den roten Zahlen
Bund, Länder und Kommunen verzeichnen das zweithöchste Defizit seit der deutschen Einheit.
Wiesbaden. Trotz der Konjunkturerholung im Frühjahr steckt der deutsche Staat angesichts milliardenschwerer Ausgaben zur Bewältigung der Corona-pandemie tief im Minus. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wies der Staatshaushalt das zweithöchste Defizit in einem ersten Halbjahr seit der Wiedervereinigung aus. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen gaben in den ersten sechs Monaten 2021 insgesamt 80,9 Milliarden Euro mehr aus als sie einnahmen. Bezogen auf die gesamte Wirtschaftsleistung lag das Minus bei 4,7 Prozent.
„Ein höheres Defizit gab es nur im ersten Halbjahr 1995, als die Treuhandschulden in den Staatshaushalt
übernommen wurden“, erläuterte die Wiesbadener Behörde. Volkswirte gehen davon, dass sich Einnahmen und Ausgaben im Zuge des erwarteten Aufschwungs normalisieren und das Defizit im kommenden Jahr schrumpfen dürfte. Läuft die Konjunktur rund, sprudeln die Steuereinnahmen, und der Staat muss Unternehmen nicht mit Milliarden stützen. Gegenüber dem zweiten Halbjahr 2020 verkleinerte sich das Minus. Damals lag das Defizit bei 5,6 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Im Corona-krisenjahr 2020 hatte der deutsche Staat erstmals seit 2011 wieder ein Defizit ausgewiesen, sowohl in den ersten sechs Monaten als auch im Gesamtjahr.
Seit Beginn der Pandemie im März 2020 stützt der Staat die Wirtschaft mit milliardenschweren Konjunkturhilfen. Ausgaben für Corona-überbrückungshilfen, Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser, für Impfstoffe und Schutzausrüstung sowie für Kurzarbeitergeld und Kinderbonus rissen auch im ersten Halbjahr 2021 Löcher in den Staatshaushalt. Zwar stiegen die Steuereinnahmen. Das Vorkrisenniveau der ersten sechs Monate 2019 wurde aber noch nicht erreicht. Das größte Minus verzeichnete der Bund mit 67,0 Milliarden Euro.
Nach Einschätzung der Deutschen Bundesbank könnte sich das Defizit trotz des erwarteten
Kein Grund zur Entspannung: Finanzminister Olaf Scholz (SPD).
Wirtschaftswachstums im Gesamtjahr vergrößern. Es dürfte über 5 Prozent des BIP hinausgehen (Vorjahr: 4,5 Prozent), heißt es: „Ausschlaggebend für den Anstieg sind jedoch vor allem Maßnahmen, die nicht durch die Corona-krise begründet sind – wie etwa die Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags.“
Ärger aus Brüssel droht Deutschland wegen des Defizits nicht. Die Eu-staaten hatten wegen der Corona-krise erstmals die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts ausgesetzt, wonach das Haushaltsdefizit nicht über 3 Prozent und die Gesamtverschuldung nicht über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen darf.