Jazzige Atmosphäre in der Klosterkirche
Virtuos und sehr gekonnt: Der „Liederfrühling“sorgte mit „We got rhythm“für jazzige Atmosphäre in der Klosterkirche in Herbrechtingen.
Herbrechtingen. Der „Liederfrühling“mit „We got rythm“war sehr kurzweilig und virtuos, auch wenn er nicht im Freien stattfinden konnte.
Frühling im August, Herbst im Sommer – Corona hat das Kulturprogramm und die herrschenden Temperaturen haben die Jahreszeiten ganz schön durcheinandergebracht. Der „Liederfrühling“ist ein gutes Beispiel dafür: Im Frühling hätte er stattfinden sollen, das ging coronabedingt nicht.
Jetzt sollte er am Freitagabend stattfinden, und zwar im Klostergarten, aber das ließen die Temperaturen nicht zu. Zumindest machten sie die Entscheidung, das Konzert nach drinnen zu verlegen, sehr einfach: Es war einfach zu kalt. Aber, und das ist letztlich das Entscheidende: Der „Liederfrühling“hat stattgefunden, und die Klosterkirche war gar nicht mal der schlechteste Platz dafür. Im Gegenteil: Auch wenn der Titel „We got rhythm“nicht gerade sakrale Musik erwarten lässt, so war die Akustik in der Kirche doch bestens geeignet, Rhythmus, Stimmen und Musik zu transportieren.
Ja, es stellte sich sogar eine leicht jazzige Atmosphäre ein, und das lag zunächst einmal an dem ausgewählten Programm: Von Jerome Kern und Kay Swift, George Gershwin und Leonard Bernstein wurde das „Great American Songbook“auf den schönsten Seiten aufgeschlagen.
Theresia Maria Romes, die treibende Kraft des Vereins „Liederfrühling“aus Sontheim, offerierte so ein strahlend helles „Smoke gets in your eyes“, ein Klassiker, der mit ihrem klaren und kraftvollen Sopran die – unter Corona-gesichtspunkten – voll besetzte Kirche durchflutete und die Zuhörer warm einhüllte. Ihre Kollegin, Sopranistin Sophia Désirée Bauer, hatte sich mit Kay Swift die erste Frau vorgeknöpft, die als Komponistin am Broadway Erfolge feierte. Aus ihrem Musical „Fine and Dandy“hatte sie „Nobody breaks my heart“und „Once you find a guy“ausgewählt, und beide Songs gaben ihr Gelegenheit, ihre voluminöse Stimme, aber auch ihr Gefühl für Stimmungen unter Beweis zu stellen: Stark und mit einem Schuss Trotzigkeit interpretierte sie das erste Lied, gefühlvoll und innig das zweite. Und gemeinsam präsentierten Romes und Bauer Stimmgewalt und Humor mit „Let’s go eat worms in the garden“mit dem der erste Teil endete, zu dem auch – ebenfalls ein Klassiker – „Someone to watch over me“gehörte, mit dem Romes einen der Gänsehautmomente des Abends schuf, nachdem sie zuvor mit Gershwins „I’ll build a stairway to paradise“sangesfreudig und mit einer Prise Koketterie gewürzt für Begeisterung gesorgt hatte.
Nachbarn von Künstlern sollten vorsichtig mit ihren Kommentaren sein: Der Nachbar von Leonard Bernstein hatte diesem gegenüber wohl häufig fallen lassen, er hasse Musik, was wohl auf die Musikemissionen aus der Bernstein’schen Wohnung und die häufigen und langen Musikerbesuche zurückzuführen war. Jedenfalls schuf Bernstein hieraus einen kleinen, aber höchst schillernden Musikzyklus mit eben dem Titel „I hate music“, dessen Herausforderungen Sophia Désirée Bauer hervorragend meisterte.
Dieser Zyklus war übrigens das Einzige, das original und klassisch gehalten war. Allen anderen Werken hatte der „Liederfrühling“seinen eigenen Stempel durch Bearbeitung aufgedrückt. So auch dem Gershwin-block am Ende des Programms. „Fascinating Rhythm“faszinierte immens, Theresia Maria Romes präsentierte das Werk mit reichlich „Wow“-effekt, und natürlich gab es auch das titelgebende „I got rhythm“, bei dem Romes ganz in ihrem Element war.
Und was darf bei Gershwin nicht fehlen? Richtig: „Summertime“. Und damit zog der Sommer auch zumindest musikalisch an diesem Abend ein. Sophia Désirée Bauer konnte hier zwar nicht ganz die volle Kraft ihrer Stimme entfalten, die sie während des gesamten Abends gezeigt hatte und die bei der Zugabe „Blah Blah Blah“des offenbar sehr humorvollen Gershwin, im Duett mit Romes auch nochmals zur Blüte kommen konnte.
Und gelernt hat das Publikum auch noch was an diesem Abend:
Trompeter Florent Farnier demonstrierte Flatterzunge und Klopömpeldämpfer, Schlagzeuger Fabian Kawohl erklärte die Herkunft des Jazzbesens, dessen Ursprung in einer Fliegenklatsche liegt. Die beiden haben natürlich nicht nur geredet, sondern auch zusammen mit Geiger und Bassist Kevin Schwarz und Pianistin Jieun Baek für die immer stimmige Begleitung gesorgt und waren damit hauptverantwortlich für die jazzige Atmosphäre in der Kirche. Florent Farnier hatte darüber hinaus mit seinem Blues aus „Ein Amerikaner in Paris“einen weiteren Standard im Gepäck, ein Klassiker, der beim Gershwinblock nicht fehlen durfte. Cole Porter hätte noch gut ins Programm gepasst. Aber der eignet sich auch gut für einen eigenen Abend. Das nur mal so. Als Anregung.