Mit massiver Leichtigkeit und Bauklötzen
Ein genauerer Blick auf die erste Ausstellung des Kunstmuseums Heidenheim auf Schloss Hellenstein. Heute: schöne Mathematik, Kunst nach dem Baukastensystem und gewollte Nähte.
Was verbirgt sich hinter der Ausstellung „Eisenwege“auf Schloss Hellenstein? Die Auflösung gibt’s im zweiten Teil dieser Artikelserie.
Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Kunst und Mathematik wie Hund und Katz’ sind. Pech und Schwefel wäre wohl der um einiges zutreffendere Vergleich. Denn gerade bei Skulpturen ist eine genaue Vorstellung von Geometrie, Maßen, Winkeln und dergleichen essenziell. Das bringt uns zu den Plastiken der Ausstellung „Eisenwege“im Heidenheimer Schloss Hellenstein. Während wir im ersten Teil dieser Artikelserie einen Blick auf die Werke geworfen haben, die aus einem Guss entstanden sind, widmet sich Teil zwei den Plastiken, die aus mehreren Stücken bestehen.
Zehn Mal 149,5 Grad
Mit dem französischen Konzeptkünstler Bernar Venet findet gewissermaßen ein Musterbeispiel für die Vereinigung von Bildhauerei und Mathematik Einzug ins Schlossmuseum. „Effondrement: 149,5 Grad Arc x 10“heißt das 2015 entstandene Werk. Für Venet-verhältnisse handelt es sich bei „Effondrement“um eine vergleichsweise kleine Stahlarbeit, ragen seine weltweit ausgestellten Werke doch sonst teils in monumentale Höhen.
Der Name ist Programm: Zehn Bogenelemente scheinen lose aufeinander zu liegen, alle knapp 150 Grad breit. „Venet geht bei seinen Arbeiten sehr mathematisch vor“, erzählt der Leiter des Kunstmuseums Heidenheim, Marco Hompes. „Die aus Kreissegmenten, Bögen und Ringen geformten Werke sind inspiriert durch mathematische Gleichungen und wissenschaftliche Diagramme.“Durch die unterschiedlichen Stapelungen strecken sich einige hoch hinauf, andere bleiben am Untergrund.
Einen ebenso vertikalen wie horizontalen Ansatz verfolgt der deutsche Bildhauer Robert Schad mit „Fluvers“(2019). Die aus massivem Vierkantstahl bestehenden Segmente ergeben je nachdem, wie man sie zusammensteckt, eine völlig andere Konstruktion – Kunst nach dem Baukastensystem.
„Fluvers“– ein reines Fantasiewort nebenbei bemerkt – schafft es wie kaum eine andere Plastik der Ausstellung, das Thema „massive Leichtigkeit“zu visualisieren. Wo sonst sieht man massigen Vierkantstahl in sämtliche Richtungen wuchern? Elegant an den Gelenken verschweißt wachsen die Streben fast schon wie Pflanzen in die Höhe.
Ähnlich wetterfest wie Bernard Venets Stahlarbeiten im Außenraum wird wohl „Maquette Saarbrücker Kopf“(1995) von Franz Bernhard sein. Die charakteristisch rostrote Patina von Cortenstahl umgibt das Konstrukt. „Bei der Entstehung stand die Frage im Vordergrund, mit wie wenig Mitteln man einen Kopf gestalten kann“, erklärt Marco Hompes.
Tatsächlich reicht ein flüchtiger Blick, um zu erkennen, dass Bernhards Plastik eindeutig aus mehreren Teilen zusammengeschweißt wurde. Um saubere, unsichtbare Verbindungen ging es dem Künstler wohl nicht, „stattdessen wird die Schweißnaht zum Teil der Arbeit“, so Hompes.
Die Werke sind inspiriert durch mathematische Gleichungen und Diagramme.
Marco Hompes
Leiter des Kunstmuseums