Wachsende Bugwelle
Immer mehr bewilligte Ausgaben werden nicht mehr im aktuellen Haushaltsjahr in Anspruch genommen. Das wirft Fragen auf.
In seiner im Juli vorgestellten „Denkschrift 2021“hat der Landesrechnungshof Badenwürttemberg das exorbitante Anwachsen sogenannter Ausgabenreste im Landeshaushalt bereits scharf gerügt. Gemeint sind vom Landtag genehmigte Mittel, die nicht im dafür vorgesehenen Haushaltsjahr in Anspruch genommen und dann als „Reste“in den Haushalt des Folgejahres übertragen werden.
Dafür gibt es teils nachvollziehbare Gründe, wie etwa eine längere Bearbeitung von Förderanträgen, die zu einer späteren Auszahlung führen und damit die entsprechenden Mittel binden. Aber es gibt auch andere Fälle, wie die obersten Rechnungsprüfer des Landes erst vor wenigen Wochen moniert haben. Zum Beispiel, heißt es in der Denkschrift, dass Ministerien „Reste als rechtlich gebunden klassifizierten, ohne dass diesen entsprechende Verträge oder Bewilligungsbescheide zugrunde lagen. Ferner wurden Reste gebildet, obwohl der Haushaltsansatz des Folgejahres ausgereicht hätte, um die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Einer Restebildung hätte es weder bedurft noch war sie zulässig.“
Das ebenso klare wie harte Urteil der Prüfer, das sich auf die Haushaltsreste des Jahres 2019 bezog, hat die Ministerien des Landes offenbar wenig beeindruckt. Denn die Haushaltsreste haben 2020 laut bislang unveröffentlichten Zahlen einen neuen Höchststand erreicht. Stolze 7,25 Milliarden Euro haben die Ministerien laut einer Kabinettsvorlage von Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne), die dieser Zeitung vorliegt, zur Übertragung in das Haushaltsjahr 2021 angemeldet. Das sind gut 650 Millionen Euro mehr als im Vorjahr.
Im Jahr 2011 summierten sich die Haushaltsreste noch auf 1,6 Milliarden Euro, seither wachsen sie kontinuierlich an, wird die
Bugwelle immer größer. Bayaz hat den Ministerien einige Anmeldungen gestrichen, am Ende werden nun aber immer noch 6,7 Milliarden Euro übertragen werden.
Ende September muss Bayaz die Zahlen dem Landtag übermitteln, der Aufschrei der Opposition dürfte angesichts der neuen Rekordsumme vorprogrammiert sein. Schließlich hat die grünschwarze Regierung im jüngsten Nachtragsetat für 2021 mit Verweis auf angeblich leere Kassen bei hohen Finanzanforderungen für die Bekämpfung der Corona-pandemie weitere Schulden aufgenommen. Da passen noch nicht verausgabte Milliardenbeträge schlecht ins Bild.
Bayaz drängt seine Kabinettskollegen denn auch, die Veranschlagung von Mitteln für ihre Projekte künftig „bedarfsgerechter auszugestalten“. Das bedeute, dass Mittelansätze „in einigen Fällen gekürzt werden müssen“, schreibt er in seinem Beschlussvorschlag fürs Kabinett.
Auch der Fraktionschef der Grünen, Andreas Schwarz, stößt die Entwicklung sauer auf. „Wir müssen in der Haushaltskommission über die nicht gebundenen Ausgabenreste sprechen“, fordert er. „Dabei sollten wir klären, warum die Summen stetig anwachsen und wie wir das zurückfahren können. Ich will nicht an einer Stelle kürzen müssen, wenn hier noch verfügbare Masse vorhanden ist.“