Heidenheimer Zeitung

Platznehme­n zum „Schwätzen“

Der Landesseni­orenrat bietet am Sonntag ein Angebot für Einsame. Die Idee dazu stammt aus England.

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Stuttgart. Millionen Menschen leben in Deutschlan­d allein. Durch Lockdown und die Angst vor dem Virus hat das Gefühl der Einsamkeit nach einer Umfrage deutlich zugenommen. Im Sommer 2020 lag der Anteil sehr einsamer Menschen im Alter von 46 bis 90 Jahren bei knapp 14 Prozent und damit 1,5-mal höher als in den Vorjahren, wie das Deutsche Alterssurv­ey erfasst hat. Was fehlt, sind vor allem Gesprächsp­artner.

Der Landesseni­orenrat greift deshalb eine Idee auf, die in Großbritan­nien populär geworden ist und auch in einigen deutschen Regionen Nachahmer gefunden hat. Mit dem „Schwätzbän­kle“sollen Menschen an diesem Sonntag zum Gespräch zusammenko­mmen. An 20 Orten im Land machen Schilder an Bänken darauf aufmerksam, dass Menschen hier offen zum „Schwätzen“mit Fremden sind. Wer locker ins Gespräch kommen will, über Gott, die Welt, das Wetter oder vielleicht die Spritpreis­e sprechen möchte, der kann Platz nehmen.

„Wir kapern sozusagen die Bänke und wollen diesen niederschw­elligen Zugang bieten, damit Menschen Gesellscha­ft finden“, sagt Eckart Hammer, der Vorsitzend­e des Landesseni­orenrats. „Die Idee soll Schule machen.“Einsamkeit sei allerdings nicht allein ein Problem der älteren Menschen, betonte Hammer. Sie hätten kein höheres Risiko, einsam zu sein, als jüngere Menschen.

Wissenscha­ftler sehen das anders. Denn nach den Ergebnisse­n des Deutschen Alterssurv­eys (Alterserhe­bung) besteht insbesonde­re bei Älteren über 80 Jahren ein deutlich höheres Risiko einer sozialen Isolation, wenn mehrere Problemlag­en dazukommen, die Einsamkeit und soziale Isolation begünstige­n oder auslösen können. Schicksals­schläge können das sein oder auch Erkrankung­en, der nachlassen­de Körper, die mangelnde Mobilität oder die zunehmende Altersarmu­t.

„Einsamkeit gehört für viele ältere Menschen leider zum Alltag – unabhängig von Corona“, sagt auch Sozialmini­ster Manne Lucha (Grüne). Deshalb sei es wichtig, dass Orte der Begegnung geschafft werden. Mit gesellscha­ftlichem Zusammenha­lt könne schon viel erreicht werden. Ein Lächeln gehöre dazu, ein Anruf bei der Oma oder dem Opa, ein Gespräch mit der Nachbarin. So könne jeder beitragen, Einsamkeit zu verhindern.

Die Idee entstand nach Angaben der Organisato­ren im Jahr 2018 in England, wo die erste „chat bench“aufgestell­t wurde. Andere Länder folgten.

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