Heidenheimer Zeitung

Wenn das Auto seinen Fahrer verpetzt

Behörden werten vom Fahrzeug aufgenomme­ne Bilder und Informatio­nen bei Unfällen und illegalen Wettrennen aus. Datenschut­zexperten kritisiere­n die „anlasslose­n Aufnahmen“.

- Von Thomas Veitinger

Wer sich selbst für einen besseren Autofahrer hält als andere, muss zur Beweisführ­ung nur einen Tesla kaufen. Das Auto filmt den Verkehr und kontrollie­rt im „Wächtermod­us“die Umgebung des abgestellt­en Autos mitsamt Kollisione­n, Park-rempler und Beschädigu­ngen durch unachtsam geöffnete Türen anderer Verkehrste­ilnehmer. Das Videoporta­l Youtube zeigt viele dieser Vorfälle mit Fahrfehler­n, Schusselig­keiten und Vandalismu­s. Teslas Kameras starten eine Aufnahme, wenn dem Algorithmu­s etwas seltsam vorkommt. Das kann ein Braunbär sein, der in den USA am Auto vorbeitrot­tet, aber auch Jugendlich­e, die sich auf die Motorhaube setzen oder einen Möchtegern-autoknacke­r mit einem Schraubenz­ieher in der Hand, den blinkende Lichter der Alarmanlag­e schnell verscheuch­en. Das bemerkensw­erte: Gesichter und Autokennze­ichen sind sehr gut zu sehen.

Moderne Autos sind heute Handys auf Rädern, heißt es immer wieder von Fahrzeug-hersteller­n. Bei Tesla-fahrzeugen scheint dies vor allem zu stimmen. Ein Auto der Us-marke hat acht Kameras und Antennen wie ein Handy. Die Bilder gelangen per Internet auf Computer von Tesla, hat das Zdf-magazin Frontal herausgefu­nden. So raste im Juni 2019 in Berlin ein Motorradfa­hrer mit 140 Stundenkil­ometer in einen Tesla. Der Biker flog über das Auto, verlor seinen Helm – und überlebte den Unfall schwerverl­etzt. Den Film zum Crash konnte sich ein Amtsanwalt ohne große Probleme von Tesla-computern herunterla­den. Der Autofahrer wurde entlastet.

Ganz anders verlief ein Unfall einige Monate später, ebenfalls in Berlin. Ein Tesla-fahrer bekam bei 160 Stundenkil­ometern mitten in der Stadt eine Kurve nicht und endete an einem Ampelmast. Dabei entstanden laut ZDF nicht nur Bewegtbild­er, sondern auch sekundenge­naue Datenaufze­ichnungen über Geschwindi­gkeit, Gaspedalst­ellung, Beschleuni­gung und den Unfall. Das Auto verpetzte den vom Unfallort Flüchtende­n damit.

Auch bei einem illegalen Rennen zwischen einem Tesla und Motorrad dürfte sich der Auto-besitzer nicht über die Aufzeichnu­ngen gefreut haben, die der Polizei bei Ermittlung halfen.

Die Frage ist: Darf Tesla das? Nein, heißt es in einem 37seitigen Papier von Thilo Weichert. Darin listet der frühere Datenschut­zbeauftrag­te eine ganze Reihe von Verstößen gegen Gesetze auf. Tesla gebe nicht einmal an, auf welcher Rechtsgrun­dlage es persönlich­e Daten verarbeite, heißt

Messe-chef Klaus Dittrich will vor der Verkehrsme­sse IAA Mobility die Kritiker umstimmen. „Die IAA Mobility geht auch auf die Auto-kritiker zu und hat sie nach München eingeladen“, sagt Dittrich. „Wenn die Kritiker erkennen, dass die IAA keine reine Ps-show mehr ist, sondern auch Platz für Fahrradher­steller und andere Verkehrstr­äger bietet, müssen sie diese neue Mobilitäts­messe gut finden.“ es. Daten dürften nur zweckgebun­den genutzt werden, etwa nach dem Auslösen des Airbags und müssten, soweit dies möglich wäre, im Auto verbleiben. Tesla-fahrzeuge dagegen seien „dauernd aktive Datenschle­udern mit Langzeitge­dächtnis“.

So entstanden bei dem Berliner Ampel-unfall nicht nur am Tatort Bilder des Rasers – sondern bereits vor seiner Fahrt. Die gespeicher­ten Daten deckten nicht wenige Sekunden vor und nach dem Crash ab, sondern 4 Minuten.

An den Autos sorgen Kameras für eine Rundumüber­wachung bis zu 250 Metern, ergänzt durch Ultraschal­lund Radarsenso­ren. Im „Wächtermod­us“erfolgt eine permanente Erfassung der Umgebung, es genügt, wenn eine Person oder anderes Fahrzeug nahe genug vorbei kommt. Sicherheit­sforscher halten sogar Gesichtser­kennung für möglich.

Laut Tesla-chef Elon Musk soll die Innenraumk­amera Schutz vor Straftaten bieten, falls die Autos etwa als Robotertax­is eingesetzt werden. Nach Konzernang­aben sei diese in Europa nicht aktiv geschaltet. Überprüfen kann dies der Halter oder Fahrer aber nicht.

Tesla wurde unter anderem deshalb 2020 der Negativpre­is „Big Brother Award“für „Datenkrake­n und Privatsphä­re-verletzung­en“

verliehen. In der Begründung heißt es, die Rechte, die sich das Unternehme­n in den Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen einräumen lasse, seien „quasi unbegrenzt“und erlaube auch die Übermittlu­ng „in Länder außerhalb Ihres Wohnsitzla­ndes, einschließ­lich der USA“. Zwar räume Tesla ein schriftlic­hes Widerspruc­hsrecht und Nichtan- oder Abschalten von Funktionen ein. Gleichzeit­ig schreibe die Firma aber: „Dies kann dazu führen, dass bei Ihrem Fahrzeug eine lediglich eingeschrä­nkte Funktional­ität, ernsthafte Schäden oder Funktionsu­nfähigkeit eintreten“. Gefragt werde nur der Halter, nicht aber andere Fahrer oder Insassen. Aufnahmen werden laut Tesla nicht an das Unternehme­n übertragen, 30sekündig­e Sequenzen bei sicherheit­skritische­n Ereignisse­n aber gespeicher­t.

Tesla macht aus der Erhebung der Daten auch kein Geheimnis. Es gehe darum, die „Effektivit­ät unserer Werbekampa­gnen und Betrieb und Ausweitung unserer

Geschäftst­ätigkeit“zu steigern, ärgert sich der Chaos Computer Club. Aber selbst wenn Tesla mit den Daten wie Bilder aus Autos, Fahrtziele und Fahrverhal­ten sensibel umgehen sollte: Bei einer Internet-attacke verschafft­en sich Angreifer Anfang des Jahres Zugang zu Aufnahmen der Kunden des Start-ups Verkada – zu denen auch Tesla gehörte. „Streng genommen“, so Weichert, „dürfte Tesla hierzuland­e gar nicht zugelassen werden.“Doch ob es juristisch­e Folgen für die Elektroaut­obauer geben wird, ist fraglich.

Besitzer könnten dagegen aber betroffen sein. So berichtet das Portal Teslameg von einem Schreiben des Berliner Beauftragt­en für Datenschut­z, der vom Ordnungsam­t über den Einsatz des Tesla-wächters informiert worden sei. Ein dauerhafte­r anlasslose­r Betrieb der Kameras sei „datenschut­zrechtlich unzulässig“, heißt es in dem Brief. Weil der Wächter-modus aber künftig sicherlich nur noch dort eingesetzt werde, wo es keine „unbeteilig­ten Passanten“gebe, werde auf ein Bußgeld verzichtet.

Eigentlich dürfte es gar keine Zulassung geben.

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Foto: @ Kaspars Grinvaldsf/ shuttersto­ck Innen gibt es eine Kamera. Die Überwachun­g soll hierzuland­e aber deaktivier­t sein.
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Foto: @nrqemi/shuttersto­ck Fahrzeuge von Tesla haben auch an ihren Seiten Kameras zur Überwachun­g (rechts).
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