Mehr Freiraum, weniger Geld
Ein Wochenende, das drei Tage dauert, und das jede Woche: Viele Beschäftigte träumen von der Vier-tage-woche, doch die hat nicht nur Vorteile. Und noch ist die Vollzeitkultur weit verbreitet.
Mehr Freizeit, weniger Stress: Für viele ist die Vorstellung einer Vier-tage-woche die Lösung für ein zufriedeneres Berufsleben. Hat die reduzierte Arbeitszeit tatsächlich einen so großen Einfluss? Und was muss man tun, um Vorgesetzte von seinem Wunsch zu überzeugen?
Ganz so einfach funktioniert die Formel „Vier-tage-woche gleich glücklicher“natürlich nicht. Es kommt sehr darauf, wie das Modell umgesetzt wird. „Eine Vier-tage-woche bedeutet nicht immer, dass ich tatsächlich meine Arbeitszeit reduziere“, sagt Prof. Jutta Rump vom Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) in Ludwigshafen. Wer 40 Stunden in vier Tage packt, müsse sich darüber klar sein, dass er dann zehn Stunden und mehr am Tag mit Arbeit beschäftigt ist.
In manchen Fällen kann eine reduzierte Arbeitszeit zu mehr Belastung führen. „In Deutschland entspricht die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit oft nicht der tatsächlichen Arbeitszeit“, sagt Hannes Zacher, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie am Institut für Psychologie der Universität Leipzig.
Eine Vier-tage-woche kann bedeuten, dass sich Arbeit intensiviert oder Erwerbstätige die fehlende Zeit kompensieren müssen. „Gerade für Frauen besteht die Gefahr, in eine Teilzeitfalle zu geraten. Sie erleben dann sogar mehr Stress.“Wichtig sei, von Beginn an zu klären, dass die Aufgaben der vertraglichen Arbeitszeit entsprechen.
Wer aber seine Arbeitszeit und seine Aufgaben tatsächlich reduzieren kann, und womöglich von 40 auf 32 Stunden geht, wird laut Rump einen Effekt merken. „Das ist dann der ganz normale Teilzeiteffekt.“
Wer etwa an drei von sieben Tagen pro Woche nicht arbeitet, habe über 40 Prozent seiner Zeit zur freien Verfügung. „Also Zeit, in der ich Zeit-souveränität und Zeit-selbstbestimmung habe.“
Grundsätzlich haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland einen Anspruch darauf, in Teilzeit zu arbeiten, wie
Johannes Schipp, Fachanwalt für Arbeitsrecht erklärt. Das gilt zumindest für alle, deren Arbeitgeber regelmäßig mehr als 15 Mitarbeitende beschäftigt und deren Arbeitsverhältnis seit mehr als sechs Monaten besteht.
Wichtig sei, dass Arbeitnehmer ihren Wunsch rechtzeitig und richtig vorbringen, so der Fachanwalt. Ablehnen kann der
Arbeitgeber ein Teilzeitverlangen nur aus dringenden betrieblichen Gründen. „Da liegt die Latte sehr hoch“, so der Arbeitsrechtsexperte. Neben den rechtlichen Aspekten spielt die Frage eine Rolle, ob Beschäftigte es sich leisten können, in Teilzeit zu arbeiten. „Die Reduzierung der Arbeitszeit hat natürlich den Effekt, dass ich weniger Geld im Portemonnaie habe“, sagt Jutta Rump. Entsprechend verfolgen vor allem diejenigen den Wunsch nach einer Vier-tage-woche, die sich eher in der oberen Hälfte der Gehaltsskala bewegen.
Auch wenn es ein Recht darauf gibt, die Arbeitszeit zu reduzieren: Viele scheuen den Schritt, mit dem Wunsch zur Führungskraft zu gehen. Warum? „Es ist tatsächlich schwierig“, sagt Hannes Zacher. „Wir haben in Deutschland eine ausgeprägte protestantische Arbeitsethik.“Viele würden sich stark über ihre Arbeit oder ihren Beruf identifizieren. „Es ist verpönt, weniger arbeiten zu wollen“, sagt der Arbeitspsychologe. Erwerbstätige hätten oft Angst, als faul zu gelten und nehmen stattdessen Leerlaufzeiten in Kauf, in denen eigentlich gar nichts zu tun ist.
„Neben der Präsenzkultur gibt es in Deutschland auch immer noch eine starke Vollzeitkultur.“Es sei verbreitet, dass die Anzahl der Arbeitsstunden mit Leistungsbereitschaft
und Engagement gleichgesetzt wird. „Die Forschung würde dagegen sagen, es ist sogar effektiver, fünf Stunden am Tag fokussiert zu arbeiten als acht Stunden, von denen man drei gar nicht wirklich etwas zu tun hat.“
Allerdings hat die Corona-pandemie in der Arbeitswelt Veränderungen angestoßen. „Gerade die Frage, wie viel Bedeutung wir der Arbeit beimessen wollen, haben sich in den vergangenen Monaten viele gestellt“, sagt Hannes Zacher. Nie seien die Zeiten so günstig wie jetzt gewesen, an das Thema heranzugehen, „alleine durch die Diskussion um das Thema Homeoffice.“Zacher empfiehlt, das Thema mit der Führungskraft zu besprechen.
Oft machen sich Beschäftigte schon im Vorhinein viele Gedanken wie: Sind nicht alle total gestresst, und gibt es nicht viel zu viel zu tun? Wie wird die Führungskraft da wohl das Anliegen aufnehmen? Solche Zweifel können sogar hilfreich sein. „Wenn jemand das genau so vorbringt, und sich schon in die Situation des Arbeitgebers versetzt hat und dessen Position wahrnimmt, zeigt das: Die Person denkt unternehmerisch. Darüber kann man sich als Arbeitgeber nur freuen“, sagt Rump. Dann lasse sich gemeinsam an einer Lösung arbeiten, die für beide Seiten passt.