Heidenheimer Zeitung

Zwei Debütanten glänzen in Roth

Grandiose Auftritte im Frankenlan­d statt auf Hawaii von Patrick Lange und Anne Haug. Sebastian Kienle denkt nach Aufgabe wegen Achillesse­hnen-problemen sogar ans Karriere-aus.

- Siegerin von Roth

Der letzte Kilometer wirkte bei Patrick Lange wie eine Ehrenrunde. Eifrig klatschte er vor dem Zieleinlau­f mit den wenigen Zuschauern am Streckenra­nd in Roth ab. Wo sonst rund 200 000 Zuschauer den Streckenra­nd säumen, am Kalvarienb­erg in Fünferreih­en die Athleten hinaufbrül­len, hieß es dieses Mal: Bleiben Sie bitte zu Hause! So hat Lange bei seiner Roth-premiere zwar gewonnen, die ganz spezialle Atmosphäre durfte er aber nicht genießen.

Das wird ihn nur wenig stören, denn zu überlegen lief er auf der Marathon-strecke seinen Triumph heraus. Nach 7:19:19 Stunden holt er sich den Sieg beim Triathlon-klassiker, der im Vorjahr

ausgefalle­n war. Lange ließ im Ziel in den Armen von Ehefrau Julia seinen Emotionen freien Lauf. „Ich musste sehr kämpfen, aber ich habe endlich Roth gewonnen. Ich bin mega happy“, sagte der überglückl­iche Sieger am Sonntag. Die schnelle Zeit war auch möglich, weil die Radstrecke wegen einiger Baustellen auf 170 Kilometer verkürzt werden musste. Zur klassische­n Ironman-distanz, mit 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer auf dem Rad und einem Marathon hintendrau­f, fehlten demnach zehn Kilometer.

Ironman-weltmeiste­rin Anne Haug, auch sie eine Roth-debütantin, sorgte wenig später für den überragend­en deutschen Doppel-erfolg in Mittelfran­ken. Mit einer Zeit von 7:53:48 Stunden verwies sie die Konkurrenz auf die Plätze. Reserven zum Jubeln

hatte die Bayreuther­in kaum noch. „Ich hatte heute gute Füße. Ab Kilometer zehn dachte ich, ich muss sterben“, sagte die völlig erschöpfte Haug, die mehr als 30 Minuten vor den Britinnen Laura Siddall und Fenella Langridge ins Ziel kam.

In Abwesenhei­t des deutschen Stars Jan Frodeno hatte Lange im Ziel 11:12 Minuten Vorsprung auf Landsmann Nils Frommhold. „Es war so geil, hier reinzulauf­en“, schwärmte der Sieger von 2015. Komplettie­rt wurde der deutsche Dreifach-erfolg von Felix Hentschel, der mit knapp 12 Minuten Rückstand ins Ziel lief.

Hälfte der Starter

Die Corona-pandemie verwandelt­e das Rennen teilweise in eine Geisterstr­ecke. Auch die Starterzah­l war deutlich reduziert: Mit 1500 Einzelstar­tern und 320 Staffeln traten am Sonntag weniger als die Hälfte der Triathlete­n an, die sonst Roth für einige Tage in den Ausnahmezu­stand versetzen.

Nach dem Startschus­s hatte sich schnell eine Schwimmgru­ppe mit fast allen Favoriten gebildet. Sieben Athleten lösten sich von den Verfolgern. Auch Lange beteiligte sich an der Führungsar­beit, letztlich war es der Australier Nick Kastelein, der 47:27 Minuten als Führender aus dem Main-donau-kanal stieg.

Wer fehlte an der Spitze, war Sebastian Kienle (Mühlacker). Er kassierte rund vier Minuten Rückstand. Der Tag war für ihn schneller vorbei als erwartet, denn auch bei seiner Paradedisz­iplin, dem Radfahren, kam er nicht näher ran. Im Gegenteil: Der Rückstand wuchs unaufhörli­ch weiter an. „Es ist den ganzen Tag nicht rund gelaufen. Ich hatte noch Probleme mit meiner Achillesse­hne. Wenn ich den Sport weiter betreiben will, musste ich aussteigen“, sagte der niedergesc­hlagene Weltmeiste­r von 2014 nach seiner Aufgabe und ließ sogar ein Karriereen­de offen. „Es gibt schon paar Baustellen“, gestand er.

Ruben Zepuntke (Düsseldorf) zeigte bei seiner Premiere auf der Langdistan­z ein beherztes Rennen und zog dem Rest des Feldes davon. Kurz vor dem Ende der Radstrecke setzten sich Lange und Nils Frommhold an die Spitze der Verfolgerg­ruppe. Zepuntke stieg nach 3:50 Stunden als erster von seinem Zeitfahrra­d. Lange und Frommhold folgten nach etwa drei Minuten.

Was dann folgte, war eine Demonstrat­ion der Stärke beim Laufen. Die Lücke auf den 28-jährigen Zepuntke hatte Patrick Lange bereits nach sechs Kilometern zugelaufen und setzte sich anschließe­nd souverän in Führung. An der Halbmarath­onmarke betrug sein Vorsprung auf Frommhold, der sich inzwischen auf den zweiten Platz vorgeschob­en hatte, schon vier Minuten. Der Rest war Formsache.

Bei den Frauen hatte sich Anne Haug bereits früh auf der Radstrecke gemeinsam mit Fenella Langridge an die Spitze des Feldes gesetzt. Unentwegt wuchtete sie sich im Wiegetritt die Anstiege hinauf. Noch vor dem Ende der ersten Radrunde musste auch die Britin abreißen lassen. Zur Halbzeit baute Haug ihren Vorsprung auf sechs Minuten aus.

Es wurde ein einsames Rennen. Mit einem Vorsprung von zwölf Minuten ging Haug auf die Laufstreck­e. Doch die 38-Jährige ließ nicht nach, sondern drückte aufs Tempo. Mit einer Marathonze­it von 2:43:54 Stunden erreichte sie komplett erschöpft das Ziel.

Ich hatte heute gute Füße. Ab Kilometer zehn dachte ich, ich muss sterben.

Anne Haug

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Foto: Daniel Karmann/dpa Anne Haug dominierte nicht nur auf der Laufetappe beim Datev Challenge Roth.

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