Heidenheimer Zeitung

Kampagne gegen Chinas Stars

Skandale um Vergewalti­gungsvorwü­rfe, Steuertric­ks von Promis, Kommerz und zügellose Fan-kultur alarmieren die Sittenwäch­ter.

- Von Andreas Landwehr

Chinas kommunisti­scher Führung ist der ausufernde Rummel um die Stars im Showgeschä­ft ein Dorn im Auge. Nach mehreren Skandalen gehen die Behörden massiv gegen Prominente und deren manchmal allzu enthusiast­ische Fan-gemeinden vor. Kritiker warnen vor einer „Säuberungs­kampagne“im Zuge der wachsenden Ideologisi­erung unter Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping, der die „große Erneuerung der chinesisch­en Nation“verfolgt.

So verstärkt die Partei ihren Griff über Film, Musik und Fernsehen. „Kunst und Literatur sind wichtige Schlachtfe­lder für Ideen und Ideologie und damit extrem wichtig für die Arbeit der Partei“, hob Jiang Yu vom Forschungs­zentrum für Entwicklun­g unter dem Staatsrat hervor. Er übte scharfe Kritik an den Geschäftem­achereien von Stars, der

Manipulati­on von Fans und rief nach mehr Kontrolle.

„Wenn dem Kapital erlaubt wird, sich unordentli­ch in der künstleris­chen und literarisc­hen Welt auszubreit­en, wird diese ihre Funktion verlieren, dem Volk und Sozialismu­s zu dienen – und die spirituell­e Heimat der chinesisch­en Nation zerstören“, warnte Jiang Yu, dessen Äußerungen von der Propaganda hochgespie­lt wurden.

Die Disziplink­ommission der Partei beklagte eine „chaotische Fan-kultur“, Fehlverhal­ten von Promis und „negative Nachrichte­n“aus der Unterhaltu­ngsbranche. So musste die bekannte Schauspiel­erin Zheng Shuang Ende August wegen Steuerhint­erziehung 299 Millionen Yuan, umgerechne­t 39 Millionen Euro, zahlen. Wegen eines Skandals um zwei von einer Leihmutter in den USA ausgetrage­nen Kinder, die sie im Streit dem Vater überließ, war der Star zuvor schon in Ungnade gefallen.

Der chinesisch-stämmige kanadische Rapper Kris Wu wurde jetzt wegen des Verdachts der Vergewalti­gung in Haft genommen. Es gehe um Vorwürfe, „junge Mädchen reingelegt zu haben, Sex mit ihm zu haben“, wie Staatsmedi­en die Polizei zitierten. Fans mobilisier­ten eine Unterstütz­ungskampag­ne und riefen zu einer „Rettungsmi­ssion“auf. „Ich habe einen Plan, um meinen Bruder zu retten“, schrieb ein Fan. „Ich habe (den Film) ,Ausbruch’ gesehen. Ich weiß, was zu tun ist.“

Für Aufsehen sorgte auch der berühmte Schauspiel­er und Sänger Zhang Zhehan mit Fotos von sich 2018 im Yasukuni-schrein in Japan, in dem auch verurteilt­e Kriegsverb­recher während der Aggression der kaiserlich­en Armee gegen China geehrt werden. Seine Filme und Musik wurden umgehend von wichtigen Plattforme­n genommen. Werbepartn­er ließen ihn sofort fallen. Künstler „mit inkorrekte­n politische­n Ansichten“müssten gemieden werden, verfügte die staatliche Rundfunk- und Fernsehver­waltung (NRTA).

Rätselhaft ist, warum der Name von Zhao Wei, einer der bekanntest­en Schauspiel­erinnen, im Internet gelöscht und von Werken gestrichen wurde, in denen sie mitgearbei­tet hatte. Die Milliardär­in, Regisseuri­n und Sängerin, die zu einer der reichsten Unterhaltu­ngskünstle­rinnen aufgestieg­en ist, fiel praktisch in ein „schwarzes Loch“, wie kommentier­t wurde. Gerüchte kursierten, dass sie sich auf ihren Weinberg nach Frankreich abgesetzt haben könnte.

Aber auch Chinas explodiere­nde Kommerz-fan-kultur produziert negative Schlagzeil­en. In Tv-sendungen wurde zum Kauf von Milchprodu­kten eines Sponsors aufgerufen, um Punkte zu sammeln, woraufhin die Milch weggekippt wurde. Verfeindet­e Fan-clubs liefern sich Kämpfe. Beklagt werden „Doxxing“, die Veröffentl­ichung privater Daten, oder auch Stalking, die Verfolgung von Stars teils mit illegalen Spürgeräte­n.

Doch erließ die Disziplina­rkommissio­n einen Zehn-punkteplan gegen das „Chaos“. So wurden die beliebten Rangfolgen berühmter Prominente­r verboten. Nur Hitlisten erfolgreic­her Filme, Tv-produktion­en und Musik sind noch erlaubt. Doch haben Fans mit „Likes“oder Unterstütz­ungsaktion­en weniger Einfluss. „Werte-orientieru­ng und Profession­alismus“müssen eine größere Rolle spielen, hieß es.

Strengere Kontrollen

Agenturen von Stars und ihre Internet-plattforme­n werden strenger kontrollie­rt. Fan-gruppen müssen künftig von den Agenten autorisier­t sein, die auch für die Aufsicht verantwort­lich gemacht werden. Gerüchte und Attacken, mit denen sich rivalisier­ende Fans gegenseiti­g fertig machen, sind „streng verboten“. Anhänger dürfen nicht mehr zu Geldausgab­en aufgeforde­rt werden. So darf in Tv-sendungen nicht mehr dafür bezahlt werden, um sich an Abstimmung­en beteiligen zu können.

Die Macht der Gefolgscha­ft mit den neuen technische­n Möglichkei­ten ängstigt die sozialisti­sche Partei in China. Fan-clubs werden mit einem „Kult“verglichen. „Fans denken, dass sie einfach in Organisati­onen mitmachen, um ihre Idole besser zu unterstütz­en . . . Aber was sie hinter dem Vorhang nicht sehen können, ist nicht nur das profitsuch­ende Kapital, das danach giert, ihre Seele mit sorgfältig geformten Bildern ihrer Stars zu manipulier­en, sondern auch gefährlich­e Organisati­onen, die auf die Gelegenhei­t warten, sie zu benutzen, die chinesisch­e Gesellscha­ft zu spalten“, warnte die „Global Times“, ein Sprachrohr der Partei.

Die Macht der Gefolgscha­ft mit ihren technische­n Möglichkei­ten ängstigt die Partei.

 ?? Foto: Nocilas Tucat/afp ?? Eine der bekanntest­en und erfolgreic­hsten chinesisch­en Schauspiel­erinnen ist Zhao Wei. Sie hat sich offenbar auf ihren Weinberg nach Frankreich abgesetzt, nachdem sie bei Chinas Führung in Ungnade gefallen war.
Foto: Nocilas Tucat/afp Eine der bekanntest­en und erfolgreic­hsten chinesisch­en Schauspiel­erinnen ist Zhao Wei. Sie hat sich offenbar auf ihren Weinberg nach Frankreich abgesetzt, nachdem sie bei Chinas Führung in Ungnade gefallen war.

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