Die Rückkehr der Fans
Handball-meister Kiel startet ein Modellprojekt, das derzeit im Profisport in Deutschland einmalig ist und Blaupause für Sport-veranstaltungen werden könnte.
Nicht bloß der deutsche Hallensport blickt gebannt nach Kiel. Wenn im Handball-mekka des Nordens am Mittwoch die Titeljagd des Rekordmeisters beginnt, geht es um weit mehr als die ersten Punkte zum Bundesliga-auftakt. Der Restart vor 9000 Zuschauern in einer Halle soll eine Signalwirkung haben – weit über den Handball hinaus.
„Wir, THW Kiel, Landeshauptstadt Kiel und Land Schleswig-holstein, starten gemeinsam mit Mut und Kreativität ein Modellprojekt, das derzeit im Profisport in Deutschland einmalig ist und Blaupause für den Bereich Sport und Veranstaltungen werden kann“, sagte Thw-aufsichtsratschef Marc Weinstock und sprach vor dem Heimspiel gegen HBW Balingen/weilstetten von einem „Weg, mit und trotz Corona wieder einen Schritt zurück in die Normalität zu finden“.
Die Genehmigung der Politik für den Kieler Modellversuch ist – sofern es die Infektionslage zulässt – zunächst auf zwei Monate bis zum 8. November befristet. Zutritt zur Arena an der Ostsee, die eine Gesamtkapazität von knapp über 10 000 Plätzen besitzt, haben insbesondere nachweislich vollständig geimpfte und genesene Personen. Der „großen Verantwortung“, so Thw-geschäftsführer Viktor Szilagyi, sei man sich bewusst, „diesen Versuch zu einem sicheren Erfolgsmodell für die Zukunft werden zu lassen“.
Während die ganze Liga den Kielern mit ihrem Projekt die Daumen drückt, können es die Thw-stars kaum erwarten, nach anderthalb Jahren wieder vor nahezu vollen Rängen zu spielen. Nationalspieler und Thw-kapitän Patrick Wiencek sprach von einer „Gänsehaut“allein bei dem Gedanken an die vielen Fans, und Meistercoach Filip Jicha meinte: „Wir Profisportler sind ein wenig wie Schauspieler: Wir brauchen die große Bühne, um unsere besten Leistungen abrufen zu können.“
Sportlich sind die Vorzeichen klar: Kiel geht mit nahezu unverändertem Kader, aber seinen „9000 Neuzugängen“(Szilagyi) auf der Tribüne als Top-favorit in die 56. Bundesliga-spielzeit. Zum ärgsten Widersacher dürfte erneut die SG Flensburg/handewitt, Meister der Jahre 2018 und 2019 und Vize der vergangenen beiden Spielzeiten, werden. Dahinter träumen die Füchse Berlin, die Rhein-neckar Löwen, die MT Melsungen und der SC Magdeburg weiterhin vom ganz großen Wurf.
Für Uwe Schwenker ist die Sache recht klar. Der Präsident der Handball-bundesliga erwartet ein erneutes Kopf-an-kopf-rennen zwischen den Erzrivalen aus dem Norden. „Es wird aus meiner Sicht wieder auf einen Zweikampf zwischen Kiel und Flensburg hinauslaufen“, sagte Schwenker der Handballwoche: „Wobei der THW Kiel für mich Favorit ist.“
Am Ende werden die sportlichen Fragen aber kaum über Erfolg oder Misserfolg der kommenden Saison entscheiden. Denn das Geschäftsmodell Profihandball wird mittelfristig nur funktionieren, wenn die Zuschauer dauerhaft zurückkommen.
Nach dem schwachen Interesse am Supercup in Düsseldorf, den der THW am vergangenen Wochenende vor nur 3007 Fans (von 8000 möglichen) gewann, gehen die bangen Blicke nun nach Kiel.