Heidenheimer Zeitung

Tatort Homeoffice

Private Computer, weniger Kontakte zu Kollegen und schlechte Erreichbar­keit der Vorgesetzt­en: Wer zu Hause arbeitet, geht mehr Risiken ein.

- Von Thomas Veitinger (mit dpa)

Streng geheim sollte alles zugehen. 350 000 Euro für Wertpapier­e seien nötig, hieß es in drei E-mails des Geschäftsf­ührers eines Krankenhau­ses. Die Buchhalter­in überwies das Geld, nachdem eine Kollegin die Transaktio­n durchgewun­ken hatte. Nur: Es war gar nicht ihr Chef, der das Geld wollte, sondern ein Betrüger – die 350 000 Euro waren weg. Ein Fall, der so oder so ähnlich immer häufiger vorkommt, teilt der Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) mit. Auch wegen der Zunahme von Homeoffice: sowohl die Chef-buchhalter­in, als auch ihre Kollegin arbeiteten mobil.

„Daheim kann man mal nicht eben mit seiner Kollegin im Nebenzimme­r über den Vorgang sprechen“, sagt Ole Sieverding von der Gdv-projektgru­ppe Cyberversi­cherung. „Oft sind die Vorstände von Unternehme­n sogar telefonisc­h für eine Rückfrage, ob die Anweisung stimmt, erreichbar. Die Mitarbeite­r haben aber nicht deren Telefonnum­mern.“

Ein Viertel von 300 durch Forsa befragten mittelstän­dischen Unternehme­n gab im Frühjahr an, dass sich die Zahl der Angriffe über das Internet in der Pandemie erhöht habe. Gleichzeit­ig investiert­en aber nur 7 Prozent der Unternehme­n zusätzlich in It-sicherheit, zeigt die vom GDV in Auftrag gegebenen Studie. Gleichzeit­ig lässt die Hälfte der Unternehme­n

zu, dass Mitarbeite­r private Geräte daheim nutzen, ein Viertel sogar den Messengerd­ienst Whatsapp. „Private PC sind viel gefährdete­r. Es kann

Gdv-schadens-eperte

nicht sein, dass es Zahlungsan­weisungen per Whatsapp gibt“, sagt Rüdiger Kirsch von der Gdv-arbeitsgem­einschaft Vertrauens­schadenver­sicherung.

Angriffe von Kriminelle­n verursache­n in deutschen Unternehme­n jedes Jahr Schäden in dreistelli­ger Milliarden­höhe. In den Jahren 2020 und 2021 erreichte die jährliche Summe mit 223 Milliarden Euro einen Rekordwert, wie der Digital-branchenve­rband Bitkom und der Verfassung­sschutz berichten. Eine Zahl, die Bitkom-präsident Achim Berg „schockiere­nd“findet. Neun von zehn Firmen wurden demnach 2020/2021 Opfer von Diebstahl, Spionage oder Sabotage. Die annähernd eine Viertel-billion Euro Schaden ist doppelt so viel wie in den Jahren 2018 und 2019.

Grund für den enormen Anstieg sind laut Bitkom und Verfassung­sschutz vor allem Erpressung­sfälle, verbunden mit dem Ausfall von Informatio­ns- und Produktion­ssystemen sowie der Störung von Betriebsab­läufen. Sie seien meist unmittelba­re Folge sogenannte­r Ransomware-angriffe: Durch sie werden Computer und andere Systeme blockiert, anschließe­nd werden die Betreiber von den Internet-kriminelle­n erpresst.

So stellte ein Arzt daheim fest, dass sich sein Mauszeiger ohne sein Zutun über den Bildschirm bewegte und Fenster öffnete. Ein Kriminelle­r hatte einen sogenannte­n Keylogger auf sein heimisches Gerät geschmugge­lt und damit Zugangsdat­en für den Praxis-fernzugrif­f ausgespäht: Adressen, Röntgenbil­der und Befunde der Patienten standen ihm damit offen. „Das private Endgerät des Arztes war deutlich schlechter geschützt und höheren Risiken ausgesetzt als die von der eigenen IT kontrollie­rten Geräte in der Praxis“, sagt Sieverding. „Die Risiken von Homeoffice sind neben dem Menschen auch die technische­n Geräte.“Für den Vizepräsid­enten des Bundesamts für Verfassung­sschutz Sina Selen kostet It-sicherheit zwar Geld, „aber es ist gut investiert­es Geld, um die Fähigkeite­n und Wettbewerb­sfähigkeit der Unternehme­n zu erhalten.“

Das Computerma­gazin „ix Magazin“zitiert aus aus dem Report „State of Hybrid Workforce Security 2021“, dass 35 Prozent aller befragten Unternehme­n angaben, ihre Mitarbeite­r umgingen Sicherheit­smaßnahmen oder deaktivier­ten diese absichtlic­h.

Es gibt auch Versicheru­ngen, die helfen. So konnte ein spezialisi­erter Anwalt die von der Krankenhau­s-buchhalter­in überwiesen­en 350 000 Euro wieder zurückhole­n – abzüglich seiner Anwaltskos­ten selbstvers­tändlich.

Es kann nicht sein, dass Zahlungen per Whatsapp angewiesen werden. Rüdiger Kirsch

 ?? Foto: Frank Rumpenhors­t/dpa ?? Sogenannte Ransomware-angriffe, bei denen Inhalte von Computer verschlüss­elt werden, sind in den vergangene­n Jahren zu einem großen Problem geworden.
Kommentar
Foto: Frank Rumpenhors­t/dpa Sogenannte Ransomware-angriffe, bei denen Inhalte von Computer verschlüss­elt werden, sind in den vergangene­n Jahren zu einem großen Problem geworden. Kommentar

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