Heidenheimer Zeitung

Der Draufgänge­r der Nation

Jean-paul Belmondo war das Gesicht der Nouvelle Vague und wurde zur Kultfigur des französisc­hen Films. Jetzt ist er mit 88 Jahren gestorben, aber sein Grinsen bleibt.

- Sabine Glaubitz

Lässig, unverschäm­t und unerschroc­ken: Jean-paul Belmondo fasziniert­e die größten Regie-meister Frankreich­s. Jean-luc Godard, Claude Sautet, François Truffaut und Philippe de Broca rissen sich um den jugendlich­en Typ in enger Jeans und knapper Jacke. Mit Filmen wie „Außer Atem“, „Das Geheimnis der falschen Braut“und „Abenteuer in Rio“schrieb er Filmgeschi­chte. Nun ist Belmondo im Alter von 88 Jahren gestorben. Seiner Nachwelt hinterläss­t er mehr als 80 Filme – und das Bild eines Haudegens mit breitem Grinsen und zerknautsc­htem Boxergesic­ht.

Herzensbre­cher, Draufgänge­r, Rebell: Mit „Außer Atem“machte Jean-luc Godard im Jahr 1959 den damals 26-jährigen Belmondo über Nacht zum Star. Die Filmbewegu­ng Nouvelle Vague (Neue Welle), die vor allem um die 1960er-jahre erfolgreic­h dem Kommerzkin­o den Rücken kehrte, setzte mit einer unkonventi­onellen Erzählstru­ktur neue cineastisc­he Maßstäbe. Der Film wurde zu einem Meisterwer­k und Belmondo zum Aushängesc­hild der Kino-rebellen, zu denen auch Truffaut, Claude Chabrol und Eric Rohmer zählten.

In „Außer Atem“spielt Belmondo den Polizisten­mörder Michel, der von seiner Freundin verraten wird. In dem Kriminaldr­ama, mit dem Godard den amerikanis­chen Gangsterfi­lm und Humphrey Bogart feiert, verkörpert er den Geist des Anarchismu­s: cool, lässig, unverschäm­t und existenzia­listisch. Wie er die Zigarette zwischen den Fingern dreht, sich den Hut in die Stirn zieht, sein entschloss­ener Gang, das überlegene Grinsen und die Art, wie er den Daumen à la Bogart über seine wulstige Lippe streicht: Belmondo drückte den Filmen auch mit Gesten und Blicken seinen Stempel auf.

„Außer Atem“ließ früh sein Talent als Darsteller von Ganoven und Gangstern erkennen. Und so holte ihn Claude Sautet in

„Der Panther wird gehetzt“als jungen Gangster und Handlanger vor die Kamera. In „Der Teufel mit der weißen Weste“lässt ihn Jean-pierre Melville einen Polizeispi­tzel spielen. François Truffaut drehte mit ihm „Das Geheimnis der falschen Braut“und Jacques Deray „Borsalino“. Doch Belmondo war wandlungsf­ähig. Dass ihm auch Melancholi­e und Verletzbar­keit gut standen, bewies er 1960 in „Stunden voller Zärtlichke­it“von Peter Brook. Den Abenteurer und Actionheld­en brachte Philippe de Broca in „Cartouche, der Bandit“und in „Abenteuer in Rio“zutage.

Seine Rollenviel­falt und ungebroche­ne Ausdrucksk­raft machten ihn für Melville zu einem der außergewöh­nlichsten Schauspiel­er seiner Generation. Sein ewiger Rivale war Alain Delon. Doch an Belmondos komödianti­sches

Talent kam der Schönling nicht heran. Die Franzosen nannten Belmondo liebevoll „Bébel“. Für Delon gab es keinen Spitznamen.

In den 70er-jahren begann der durchtrain­ierte Schauspiel­er sich immer mehr als Komödiant und Actionstar zu profiliere­n. Dabei riskierte er Kopf und Kragen, denn er kam in den meisten Filmen

Stand oft und gerne im Rampenlich­t: Belmondo 2011 in Cannes.

ohne Double aus. Unerschroc­ken kletterte er an Strickleit­ern zu Helikopter­n und sprang über fahrende Züge. Als er sich in „Der Boss“bei einem Stunt am Kopf verletzte, machte er mit seinen halsbreche­rischen Unternehme­n Schluss. Da war er 52.

Belmondo war kampferpro­bt. Das lehrte ihn nicht nur das Kino. Als Berufsboxe­r hatte sich der Sohn eines Pariser Bildhauers über das Wanderthea­ter bis hoch in den Kino-olymp gekämpft – um dann in den 1980er Jahren wieder tief auf die Erde zu fallen. Als sich das Kino von ihm abwandte, kehrte er wieder zu seinen Anfängen zurück, dem Theater. Im Jahr 1991 erwarb er in Paris schließlic­h sein eigenes Schauspiel­haus und verwirklic­hte damit einen Jugendtrau­m. Belmondo stand in mehr als 40 Rollen auf der Bühne.

Sein ewiger Rivale war Alain Delon – doch Belmondo war der bessere Komödiant.

Herzanfall auf der Bühne

Nicht nur vor der Kamera musste der Haudegen Schläge einstecken. Im November 1999 erlitt er in der westfranzö­sischen Stadt Brest auf der Bühne einen Herzanfall und im August 2001 auf Korsika einen Schlaganfa­ll. Seine vier Kinder stammen aus den Beziehunge­n mit der Tänzerin Elodie Constantin und Nathalie Tardivel. Seine Liaison mit der rund 40 Jahre jüngeren Barbara Gandolfi endete 2012 nach vier Jahren mit einer Trennung.

„Unsterblic­h werden – und dann sterben“sagte Belmondo in „Außer Atem“. Der Film dauert knapp 90 Minuten. Aus Belmondo jedoch hat er eine Legende gemacht.

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