Recht auf Ganztagsbetreuung kommt von 2025 an
Ministerpräsident Kretschmann nennt Kompromiss für Grundschulen einen „Riesenerfolg“. Die Kommunen sind skeptisch und warnen vor Personalmangel.
Es ist beschlossen: In fünf Jahren haben neu eingeschulte Kinder auch in Baden-württemberg einen Rechtsanspruch auf einen Platz in der Ganztagsbetreuung der Grundschule. Nach der Einigung im Finanzstreit mit dem Bund äußerte sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zufrieden. „Dieser Durchbruch ist natürlich zunächst einmal ein Riesenerfolg für Familien und Kinder, die jetzt einen Rechtsanspruch haben, der dauerhaft verlässlich finanziert und qualitativ abgesichert ist“, teilte Kretschmann am Dienstag mit.
Es sei auch ein Erfolg für Länder und Kommunen, „die diesen Rechtsanspruch nun sauber finanzieren können“. Bund und Länder hatten sich am Montagabend nach langem Streit über die Finanzierung des Vorhabens im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat geeinigt, nachdem der Bund sein Angebot deutlich aufgebessert hatte. Die Länder hatten auf Initiative Baden-württembergs den Vermittlungsausschuss angerufen. Das finanzielle Angebot
des Bundes sei völlig unzureichend gewesen, sagte Kretschmann.
Die Kommunen im Südwesten zeigten sich skeptisch. Die Schrittfolge, die Bund und Länder anstrebten, sei falsch. Es sollten erst vor Ort Strukturen geschaffen werden, bevor Rechtsansprüche beschlossen würden, erklärten Gemeindetag, Städtetag und die Landkreise in einer gemeinsamen Stellungnahme. „Mehr Geld allein löst die Umsetzungsprobleme vor Ort nicht, und es droht am Ende die Gefahr, dass die gestern verabredeten Mittel nicht ausreichen werden.“Hinzu komme, dass ungeklärt sei, „woher das Personal für die Erfüllung des Rechtsanspruchs kommen soll“.
Laut Deutschem Jugend-institut gab es 2019 etwa 83 000 Ganztagsplätze an Grundschulen im Land. Baden-württemberg hat danach im Vergleich die niedrigste Quote und den höchsten Ausbaubedarf. Berechnungen zufolge müsste das Land bis 2025 etwa 207 000 neue Plätze schaffen.
Berlin. Nicht alles ist nach dieser Debatte klarer. Manches schon. „Wir sind startklar“, ruft Jan Korte, Parlamentarischer Geschäftsführer der linken Fraktion den Abgeordneten von SPD und Grünen zu. Korte will den Politikwandel und setzt auf eine rot-grünrote Bundesregierung. Auch die Kanzlerin lässt es an Deutlichkeit nicht fehlen. Am Anfang der Diskussion „zur Situation in Deutschland“hält sie ihre letzte Rede im Bundestag. Nach Lob der eigenen Politik greift sie Vizekanzler Olaf Scholz und die SPD an. „In schwierigster Zeit“stehe das Land vor einer „Richtungswahl“, es sei „nicht egal, wer das Land regiert“. Entweder Rot-grün mit den Linken, was SPD und Grüne nicht ausschließen, oder das Land wählt den aus ihrer Sicht besten Weg und entscheidet sich für eine von „der CDU/CSU geführten Regierung mit Armin Laschet an der Spitze“.
Der Spitzenkandidat der Union dankt Angela Merkel, unter deren Kanzlerschaft Deutschland laut Laschet „16 gute Jahre hatte“. In der Frage der Digitalisierung geht er vorsichtig auf Distanz. Den Grünen, die argumentieren, Deutschland liege im Vergleich von 20 Industrienationen auf dem 18. Platz, wirft er zwar Unredlichkeit vor. Schließlich würden sie in elf Bundesländern mitregieren und trügen deshalb Mitverantwortung. Dass Deutschland jedoch gut dasteht, wie Angela
Merkel meint, behauptet Laschet nicht. Der Spitzenkandidat arbeitet sich durch ein beeindruckendes Themenspektrum (Klima, innere Sicherheit, „Entfesselung der Wirtschaft“und anderes mehr), lässt sogar eine Zwischenfrage in Sachen Kohleausstieg von Grünen-spitzenkandidatin Annalena Baerbock zu, um am Ende doch wieder auf die Linken zu kommen. An Olaf Scholz gewandt, sagt Laschet, die Bürger hätten „ein Recht darauf, dass der Kanzlerkandidat der SPD sagt“, ob er mit den Linken regieren würde oder nicht.
Erwartungsgemäß lässt Olaf Scholz, der übrigens vor Armin Laschet reden darf, diesen Punkt unberührt. Dafür hält er eine Art erste Regierungsansprache. Neben dem Kampf gegen die Erderwärmung nennt er die Beseitigung der Kinderarmut, deutlich größere Anstrengungen bei der Bildung, bezahlbares Wohnen und eine verlässliche Rente als wichtige Punkte für eine künftige Koalition. Zu der die Grünen gehören wollen. Dass aber Annalena Baerbock die nächste Kanzlerin wird, gilt als immer unwahrscheinlicher. An Kampfeswillen fehlt es Baerbock nicht. „Sie haben es vermasselt“, fasst sie die Klimapolitik der Großen Koalition zusammen. Und auch die Europapolitik habe die Groko vernachlässigt. Nicht zu reden vom Ende des Afghanistan-einsatzes. Baerbock will in der kommenden Legislaturperiode einen Untersuchungsausschuss.