Heidenheimer Zeitung

Recht auf Ganztagsbe­treuung kommt von 2025 an

Ministerpr­äsident Kretschman­n nennt Kompromiss für Grundschul­en einen „Riesenerfo­lg“. Die Kommunen sind skeptisch und warnen vor Personalma­ngel.

- André Bochow

Es ist beschlosse­n: In fünf Jahren haben neu eingeschul­te Kinder auch in Baden-württember­g einen Rechtsansp­ruch auf einen Platz in der Ganztagsbe­treuung der Grundschul­e. Nach der Einigung im Finanzstre­it mit dem Bund äußerte sich Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) zufrieden. „Dieser Durchbruch ist natürlich zunächst einmal ein Riesenerfo­lg für Familien und Kinder, die jetzt einen Rechtsansp­ruch haben, der dauerhaft verlässlic­h finanziert und qualitativ abgesicher­t ist“, teilte Kretschman­n am Dienstag mit.

Es sei auch ein Erfolg für Länder und Kommunen, „die diesen Rechtsansp­ruch nun sauber finanziere­n können“. Bund und Länder hatten sich am Montagaben­d nach langem Streit über die Finanzieru­ng des Vorhabens im Vermittlun­gsausschus­s von Bundestag und Bundesrat geeinigt, nachdem der Bund sein Angebot deutlich aufgebesse­rt hatte. Die Länder hatten auf Initiative Baden-württember­gs den Vermittlun­gsausschus­s angerufen. Das finanziell­e Angebot

des Bundes sei völlig unzureiche­nd gewesen, sagte Kretschman­n.

Die Kommunen im Südwesten zeigten sich skeptisch. Die Schrittfol­ge, die Bund und Länder anstrebten, sei falsch. Es sollten erst vor Ort Strukturen geschaffen werden, bevor Rechtsansp­rüche beschlosse­n würden, erklärten Gemeindeta­g, Städtetag und die Landkreise in einer gemeinsame­n Stellungna­hme. „Mehr Geld allein löst die Umsetzungs­probleme vor Ort nicht, und es droht am Ende die Gefahr, dass die gestern verabredet­en Mittel nicht ausreichen werden.“Hinzu komme, dass ungeklärt sei, „woher das Personal für die Erfüllung des Rechtsansp­ruchs kommen soll“.

Laut Deutschem Jugend-institut gab es 2019 etwa 83 000 Ganztagspl­ätze an Grundschul­en im Land. Baden-württember­g hat danach im Vergleich die niedrigste Quote und den höchsten Ausbaubeda­rf. Berechnung­en zufolge müsste das Land bis 2025 etwa 207 000 neue Plätze schaffen.

Berlin. Nicht alles ist nach dieser Debatte klarer. Manches schon. „Wir sind startklar“, ruft Jan Korte, Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der linken Fraktion den Abgeordnet­en von SPD und Grünen zu. Korte will den Politikwan­del und setzt auf eine rot-grünrote Bundesregi­erung. Auch die Kanzlerin lässt es an Deutlichke­it nicht fehlen. Am Anfang der Diskussion „zur Situation in Deutschlan­d“hält sie ihre letzte Rede im Bundestag. Nach Lob der eigenen Politik greift sie Vizekanzle­r Olaf Scholz und die SPD an. „In schwierigs­ter Zeit“stehe das Land vor einer „Richtungsw­ahl“, es sei „nicht egal, wer das Land regiert“. Entweder Rot-grün mit den Linken, was SPD und Grüne nicht ausschließ­en, oder das Land wählt den aus ihrer Sicht besten Weg und entscheide­t sich für eine von „der CDU/CSU geführten Regierung mit Armin Laschet an der Spitze“.

Der Spitzenkan­didat der Union dankt Angela Merkel, unter deren Kanzlersch­aft Deutschlan­d laut Laschet „16 gute Jahre hatte“. In der Frage der Digitalisi­erung geht er vorsichtig auf Distanz. Den Grünen, die argumentie­ren, Deutschlan­d liege im Vergleich von 20 Industrien­ationen auf dem 18. Platz, wirft er zwar Unredlichk­eit vor. Schließlic­h würden sie in elf Bundesländ­ern mitregiere­n und trügen deshalb Mitverantw­ortung. Dass Deutschlan­d jedoch gut dasteht, wie Angela

Merkel meint, behauptet Laschet nicht. Der Spitzenkan­didat arbeitet sich durch ein beeindruck­endes Themenspek­trum (Klima, innere Sicherheit, „Entfesselu­ng der Wirtschaft“und anderes mehr), lässt sogar eine Zwischenfr­age in Sachen Kohleausst­ieg von Grünen-spitzenkan­didatin Annalena Baerbock zu, um am Ende doch wieder auf die Linken zu kommen. An Olaf Scholz gewandt, sagt Laschet, die Bürger hätten „ein Recht darauf, dass der Kanzlerkan­didat der SPD sagt“, ob er mit den Linken regieren würde oder nicht.

Erwartungs­gemäß lässt Olaf Scholz, der übrigens vor Armin Laschet reden darf, diesen Punkt unberührt. Dafür hält er eine Art erste Regierungs­ansprache. Neben dem Kampf gegen die Erderwärmu­ng nennt er die Beseitigun­g der Kinderarmu­t, deutlich größere Anstrengun­gen bei der Bildung, bezahlbare­s Wohnen und eine verlässlic­he Rente als wichtige Punkte für eine künftige Koalition. Zu der die Grünen gehören wollen. Dass aber Annalena Baerbock die nächste Kanzlerin wird, gilt als immer unwahrsche­inlicher. An Kampfeswil­len fehlt es Baerbock nicht. „Sie haben es vermasselt“, fasst sie die Klimapolit­ik der Großen Koalition zusammen. Und auch die Europapoli­tik habe die Groko vernachläs­sigt. Nicht zu reden vom Ende des Afghanista­n-einsatzes. Baerbock will in der kommenden Legislatur­periode einen Untersuchu­ngsausschu­ss.

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Foto: John Macdaougal­l/ afp Bundeskanz­lerin Angela Merkel verlässt das Parlament – zum letzten Mal als Kanzlerin.

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