Rechtsanspruch rückt näher
Bund und Länder einigen sich in letzter Minute. 2026 sollen die ersten Klassen betreut werden.
Berlin. Der Bund-länder-kompromiss zum Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen ist auf breite Zustimmung gestoßen. Dass sich der Bund nun stärker als geplant an den Kosten beteiligen wolle, sei „eine sehr gute Nachricht“, sagte die Vorsitzende des Bundeselternrats, Sabrina Wetzel, dieser Zeitung. Die bundeseinheitliche Lösung führe hoffentlich zu mehr Bildungsgerechtigkeit. Allerdings müsse man alles dafür tun, um das zusätzliche Personal zu finden beziehungsweise auszubilden: „Die Schulkinder sollen in den zusätzlichen Stunden nämlich nicht nur bespaßt, sondern gezielt gefördert werden – Kinder mit Sprachdefiziten etwa, indem sie an den Nachmittagen zusätzlichen Förderunterricht bekommen.“
Ähnlich positiv sieht man die Einigung beim Arbeitskreis Neue Erziehung. Der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz sei für Eltern, „die große Probleme bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben, ein Riesenfortschritt“,
sagte die Vorsitzende Heidemarie Arnhold.
Der Bundestag hat am Dienstag mit den Stimmen von Union und SPD sowie eines großen Teils der Opposition dem am Vortabend zwischen Bund und Ländern ausgehandelten Kompromiss zugestimmt. Falls der Bundesrat am Freitag sein Ja gibt, kann der Rechtsanspruch ab dem Schuljahr 2026/27 im gesamten Bundesgebiet kommen.
Auch für bestehende Plätze
Die Einigung sieht vor, dass der Bund nicht nur 3,5 Milliarden Investitionskosten übernimmt, sondern sich auch mit jährlich 1,3 Milliarden Euro an den laufenden Kosten beteiligt – also mit 300 Millionen Euro mehr pro Jahr als zunächst zugesagt. Zudem übernimmt der Bund Kosten für bereits bestehende Betreuungsplätze. Davon profitieren auch Länder, in denen es bereits einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung gibt, darunter Hamburg, Berlin und Brandenburg. Die
Neuregelung soll ab Mitte 2026 für Erstklässler gelten und ab Mitte 2029 für Grundschüler bis zur vierten Klasse.
Der Vermittlungsausschuss war eingeschaltet worden, weil unter anderem Baden-württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) das Angebot des Bundes nicht akzeptieren wollte. Die Einigung geschah sozusagen in letzter Minute, da das Gesetz nach der Wahl neu im Bundestag hätte eingebracht werden müssen.
Kritik an dem Kompromiss übte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy. Bei der finanziellen Absicherung bleibe „eine gewaltige Lücke von mehreren Milliarden Euro“, sagte er. „Diese offene Rechnung darf nicht an die Kommunen weitergereicht werden.“Auch er äußerte Zweifel, ob genügend qualifiziertes Personal gefunden werden könne und forderte deshalb „eine Ausbildungsinitiative der Länder in großem Stil“.