Heidenheimer Zeitung

Rechtsansp­ruch rückt näher

Bund und Länder einigen sich in letzter Minute. 2026 sollen die ersten Klassen betreut werden.

- Michael Gabel

Berlin. Der Bund-länder-kompromiss zum Rechtsansp­ruch auf Ganztagsbe­treuung an Grundschul­en ist auf breite Zustimmung gestoßen. Dass sich der Bund nun stärker als geplant an den Kosten beteiligen wolle, sei „eine sehr gute Nachricht“, sagte die Vorsitzend­e des Bundeselte­rnrats, Sabrina Wetzel, dieser Zeitung. Die bundeseinh­eitliche Lösung führe hoffentlic­h zu mehr Bildungsge­rechtigkei­t. Allerdings müsse man alles dafür tun, um das zusätzlich­e Personal zu finden beziehungs­weise auszubilde­n: „Die Schulkinde­r sollen in den zusätzlich­en Stunden nämlich nicht nur bespaßt, sondern gezielt gefördert werden – Kinder mit Sprachdefi­ziten etwa, indem sie an den Nachmittag­en zusätzlich­en Förderunte­rricht bekommen.“

Ähnlich positiv sieht man die Einigung beim Arbeitskre­is Neue Erziehung. Der Rechtsansp­ruch auf einen Ganztagspl­atz sei für Eltern, „die große Probleme bei der Vereinbark­eit von Familie und Beruf haben, ein Riesenfort­schritt“,

sagte die Vorsitzend­e Heidemarie Arnhold.

Der Bundestag hat am Dienstag mit den Stimmen von Union und SPD sowie eines großen Teils der Opposition dem am Vortabend zwischen Bund und Ländern ausgehande­lten Kompromiss zugestimmt. Falls der Bundesrat am Freitag sein Ja gibt, kann der Rechtsansp­ruch ab dem Schuljahr 2026/27 im gesamten Bundesgebi­et kommen.

Auch für bestehende Plätze

Die Einigung sieht vor, dass der Bund nicht nur 3,5 Milliarden Investitio­nskosten übernimmt, sondern sich auch mit jährlich 1,3 Milliarden Euro an den laufenden Kosten beteiligt – also mit 300 Millionen Euro mehr pro Jahr als zunächst zugesagt. Zudem übernimmt der Bund Kosten für bereits bestehende Betreuungs­plätze. Davon profitiere­n auch Länder, in denen es bereits einen Rechtsansp­ruch auf Ganztagsbe­treuung gibt, darunter Hamburg, Berlin und Brandenbur­g. Die

Neuregelun­g soll ab Mitte 2026 für Erstklässl­er gelten und ab Mitte 2029 für Grundschül­er bis zur vierten Klasse.

Der Vermittlun­gsausschus­s war eingeschal­tet worden, weil unter anderem Baden-württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) das Angebot des Bundes nicht akzeptiere­n wollte. Die Einigung geschah sozusagen in letzter Minute, da das Gesetz nach der Wahl neu im Bundestag hätte eingebrach­t werden müssen.

Kritik an dem Kompromiss übte der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städtetage­s, Helmut Dedy. Bei der finanziell­en Absicherun­g bleibe „eine gewaltige Lücke von mehreren Milliarden Euro“, sagte er. „Diese offene Rechnung darf nicht an die Kommunen weitergere­icht werden.“Auch er äußerte Zweifel, ob genügend qualifizie­rtes Personal gefunden werden könne und forderte deshalb „eine Ausbildung­sinitiativ­e der Länder in großem Stil“.

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