Spiegelbild des städtischen Wandels
Viele Male schon hat der Eugenjaekle-platz sein Gesicht verändert. Ebenso oft wandelte sich seine Bedeutung für den Verkehr.
Kaum etwas ist in Heidenheim beständiger als regelmäßige Veränderungen der Verkehrsführung und Korrekturen am Gesicht des Eugen-jaekle-platzes. Wurde in der Vergangenheit am einen herumgedoktert, war oft auch das andere betroffen. Wobei das Thema keinesfalls in jener Zeit aufkam, als Autos und Laster zunehmend die Straßen verstopften und sich die Fußgänger dazwischen ihre Nischen erkämpfen mussten.
Schon lange zuvor, genau am 17. Mai 1906, erhielt ein im Lager Lechfeld dienender Kanonier eine Postkarte zugeschickt, auf deren Vorderseite zeichnerisch die Zukunft Heidenheims abgebildet war.
Anstelle des erst gut zwei Jahrzehnte später so bezeichneten Eugen-jaekle-platzes war ein Hafen zu sehen, in dessen Becken Schiffe der kaiserlichen Kriegsmarine und ein Raddampfer dümpelten. Eine Drahtseilbahn verband Schloss und Stadt, während sich ein Zeppelin, eine Schwebebahn, eine fliegende Untertasse, eine aus den Wolken anrauschende Dampflok und ein durch die Lüfte gleitender Radfahrer den Himmel teilten.
Offenbar waren mit dem Künstler die kreativen Gäule durchgegangen. Bei aller Verschrobenheit hatte er sich aber schon damals weitsichtig mit der immer dringlicher werdenden Frage beschäftigt, wie zum Teufel die wachsende Zahl der Menschen denn bloß durch die Innenstadt transportiert werden könnte.
Problem frühzeitig erkannt
Weniger abgehoben, gleichwohl kaum weniger kreativ, taten es ihm seither viele Planer gleich. Ihre Entwürfe – ob schlussendlich verwirklicht oder verworfen – chronologisch aufzulisten, wäre kaum möglich, ohne das eine oder andere Detail zu vergessen. Erinnert sei deshalb nur an einige wesentliche Schritte, deren erster vor gut 90 Jahren erfolgte.
1929 wurde auf Betreiben des damaligen Oberbürgermeisters Eugen Jaekle der Beschluss gefasst, den Wedelgraben im Abschnitt zwischen Turnstraße (heute: Clichystraße) und Christianstraße mit einem Deckel zu versehen.
Damit entwickelte sich die Obere Vorstadt, wie der anschließend in Eugen-jaekle-platz umbenannte Bereich noch hieß, „zum pulsenden Herz der wachsenden Stadt“. So nachzulesen in einer Zeitungsbeilage, die im Oktober 1954 erschien.
Wachgerufen wurde darin auch die Situation Anfang des 19. Jahrhunderts: Aus Richtung Westen reihten sich im Wedelgraben die Fuhrwerke durchreisender Händler aneinander. Es war in diesem Bereich die einzige Straßenverbindung, die Wilhelmstraße existierte noch nicht.
Innenstadt wurde überflutet
Aber nicht nur die Staus früher Prägung waren ein Problem. Ein weiteres beschrieb ein aus drei Wörtern bestehender Ruf: „Der Wedel kommt!“Regelmäßig zur Schneeschmelze flutete Wasser aus dem Ugen-, Stuben-, Zwergstubenund Wental die Innenstadt. Dort versuchten die Menschen, halbwegs trockenen Fußes voranzukommen.
Ohne erhöhte Trottoirs und später auch fahrbare Brücken ein riskantes, mitunter sogar tödliches Unterfangen: Historische Aufzeichnungen berichten von einem Zimmermann, der einst „in den reißenden Wedelfluten“ertrank. Das Unglück ereignete sich vor der längst abgerissenen Gaststätte Scharfes Eck, an deren Stelle seit Ende der 1970er-jahre das Modehaus Steingass steht.
Nur am Rande sei erwähnt, dass es mit dem „breiten Bach“einen weiteren innerstädtischen Wasserlauf gab. Dieser Nebenarm der Brenz führte am Ottilienberg vorbei zur Oberen Vorstadt und dann durch die Hauptstraße zurück in den Fluss. Er versorgte unter anderem Brauereien, Küfer, Färber und Schmiede, außerdem spielte er bei der Brandbekämpfung eine wichtige Rolle. Allerdings nur bis zu seiner 1893 auf den Weg gebrachten Trockenlegung. Und als dann wie bereits erwähnt auch der Wedel in einem Kanal verschwand, war die Zeit des „Land unter“auf Heidenheims zentralem Platz vorüber.
Schlossbergtunnel kam nicht
Schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte man im Rathaus erwogen, den Wedel in einem 665 Meter langen Tunnel unter dem Schlossberg hindurchzuleiten und bei der Brunnenmühle in die Brenz münden zu lassen. In der Stadt war eine ausgeprägte Bereitschaft spürbar, diese Pläne umzusetzen. Weil aber seitens des Staates die Zusage ausblieb, gut die Hälfte der auf rund 320 000 Mark geschätzten Kosten zu übernehmen, wurde später eben die Turnstraßenlösung verwirklicht. Allerdings wuchs parallel zur dort nun zur Verfügung stehenden Verkehrsfläche die Zahl der motorisierten Fortbewegungsmittel. Die Folge: Rund um den Eugen-jaekle-platz wurde es eng und enger.
Das heute vor allem Auswärtige vor erhebliche Orientierungsschwierigkeiten stellende Netz aus Einbahnstraßen war noch nicht gesponnen, und so schob und drängte es aus allen Himmelsrichtungen zu diesem räumlich begrenzten Flecken hin.
Mal quälten sich Autos, Laster und Radfahrer auf zwei Fahrspuren über den Platz, mal waren’s deren drei, erst gab’s Gegenverkehr, dann ging’s nur in eine Richtung. Kein Wunder folglich, dass auf dem Eugen-jaekle-platz schon vor dem Zweiten Weltkrieg eine sogenannte Heuer-ampel mit Drehpfeil aufgestellt wurde.
Polizisten regelten den Verkehr
Nach Ende des Krieges mussten zu den Stoßzeiten Polizisten den Verkehr regeln. Unterstellen konnten sie sich bei Bedarf in einer kleinen Kabine im Zentrum der weitläufigen Fläche, über der alsbald an Stahlseilen die ersten modernen Ampeln der Stadt hingen.
Kaum noch vorstellbar aus heutiger Sicht, welchen Verkehrsknoten der komplett versiegelte Platz seinerzeit darstellte: Wer die Stadt von Westen her ansteuerte, konnte im rechten Winkel auf die Hauptstraße abbiegen, halb rechts zur Grabenstraße, geradeaus auf die Brenzstraße und links zur Karlstraße gelangen. Und das alles bei permanentem Gegenverkehr.
Überweg statt Unterführung
Als die Karlstraße zur Fußgängerzone umfunktioniert werden sollte, war eine Unterführung im Gespräch. Durch diese sogenannte Wanne sollten die Passanten auf den Eugen-jaekle-platz gelangen. Ein simpler Überweg tat’s am Ende glücklicherweise auch, denn das heute noch in Skizzenform nachzuvollziehende Straßen- und Wegegeflecht aus jenen Tagen nimmt sich ohnehin schon so verwirrend aus wie ein komplexes Schnittmuster.
Nach seiner Entflechtung galt das Augenmerk vor allem einer zeitgemäßen Möblierung der „guten Stube“Heidenheims. Nicht immer stießen die aufeinanderfolgenden Anläufe auf Beifall, und noch seltener waren sie von Bestand. Pflanzbeete, Bäume, Telefonzellen, Zeitturm, beleuchtete Mikadostäbe, Wappen der Partnerstädte. Manches blieb, vieles verschwand wieder.
Darunter auch die zunehmend als Fremdkörper wahrgenommene Kolonnade unweit der Stelle, an der die Menschen bis 1841 durch das Obere Tor in die Innenstadt gelangten.
Immer dann, wenn die angejahrte Wedelröhre abschnittsweise saniert werden musste, war zudem ein neuer Belag aus Asphalt, Pflaster oder Granitsteinen fällig. Seinen sich zum Dreieck weitenden Zuschnitt, der nach Süden in einem schmäleren Fortsatz ausläuft, hat der vom Durchgangsverkehr befreite Eugen-jaekle-platz der Neuzeit aber behalten.
Eines scheint derweil unbestritten: Seine nächste Gesichtsstraffung kommt so sicher wie eine weitere Einbahnstraße irgendwo in seinem Umfeld.
Im nächsten Beitrag am 10. September geht es um Veränderungen entlang des Giengener Brenzufers. Die bislang erschienenen Folgen der Serie sind nachzulesen unter hz.de/zeitsprung-serie