Heidenheimer Zeitung

Aktionswoc­he soll Impfquote steigern

Minister Spahn und RKI-CHEF Wieler warnen vor Corona-welle im Herbst.

- Ellen Hasenkamp zur Rolle der Bundeswehr leitartike­l@swp.de

Berlin. Ohne deutlich mehr Impfungen droht aus Sicht von Bundesregi­erung und Robert-kochinstit­ut (RKI) ein heftiger Verlauf der vierten Corona-welle im Herbst. „Jede einzelne Impfentsch­eidung entscheide­t auch darüber, wie sicher wir gemeinsam durch Herbst und Winter kommen“, sagte Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) am Mittwoch in Berlin. RKI-CHEF Lothar Wieler warnte: „Wenn wir die aktuellen Impfquoten nicht drastisch steigern, dann kann die aktuelle vierte Welle im Herbst einen fulminante­n Verlauf nehmen. Die Pandemie ist noch nicht vorbei.“Auf Intensivst­ationen werden laut Spahn und Wieler momentan vor allem ungeimpfte Menschen wegen Covid-19 behandelt. Eine Überlastun­g der Kliniken könne nicht mehr ausgeschlo­ssen werden. 61,7 Prozent der Gesamtbevö­lkerung haben einen vollen Impfschutz.

Ärztepräsi­dent Klaus Reinhardt forderte einen Neustart der Impfkampag­ne. Mit einer bundesweit­en Aktionswoc­he will die Bundesregi­erung von Montag an Schwung in die Impfungen bringen. Gemeinsam mit den Ländern ruft sie dazu auf, an möglichst vielen Orten einfach wahrzunehm­ende Angebote zu machen. Bei den Corona-ansteckung­en ist die Sieben-tage-inzidenz unterdesse­n erstmals seit zwei Monaten an zwei Tagen hintereina­nder gefallen – auf aktuell 82,7. Eine Trendwende sieht Wieler darin noch nicht.

Der ehemalige Zivildiens­tleistende und heutige Grünen-chef Robert Habeck sorgte kürzlich in einer Wahlkampfd­ebatte für eine kleine Überraschu­ng. Womöglich würde er heute den Wehrdienst nicht mehr verweigern, bekannte er: „Die Sinnhaftig­keit der Bundeswehr“sei für ihn inzwischen offensicht­licher als damals, Ende der 80er Jahre. Was Habeck ganz grundsätzl­ich meinte, setzte sich in den vergangene­n Tagen sehr konkret mit viel Lob für die Truppe auch von unerwartet­er politische­r Seite fort. Nahezu einhellig wurde die Leistung der Soldatinne­n und Soldaten bei der Luftbrücke aus Kabul gewürdigt. Wohl selten hat die Bundeswehr so viel Anerkennun­g erfahren. Offen ist aber, was daraus folgt.

Ein Großteil der Zustimmung dürfte darauf beruhen, dass die Armee am Hindukusch als Retter im Einsatz war; über 5000 Menschen wurden aus der afghanisch­en Hauptstadt ausgefloge­n. Dennoch: Es handelte sich um einen bewaffnete­n Einsatz, für den genau deswegen eigens ein Bundestags­mandat eingeholt wurde. Auch der Auftritt des Kommandeur­s Jens Arlt nach Rückkehr machte deutlich, dass die so zivil klingende „Luftbrücke“in Wahrheit eine durch und durch militärisc­he Operation war. Mit umgehängte­m Sturmgeweh­r trat der Brigadegen­eral direkt aus dem Flugzeug vor die Kameras, die Waffe vor dem Körper, die rechte Hand am Griff. Ein Soldat in Kampfberei­tschaft – das ist auch nach über 65 Jahren Bundeswehr ein ungewöhnli­cher Anblick. Trotzdem werden die knapp 14 Tage von Kabul wohl vor allem als eine Art humanitäre Aktion im öffentlich­en Gedächtnis bleiben.

Von ebenjener Öffentlich­keit vermutlich weitgehend unbemerkt ging vergangene Woche ein weiterer Bundeswehr-einsatz

zu Ende: die Amtshilfe zur Bewältigun­g der Flutkatast­rophe im Westen und im Süden nämlich. Mehr als 2300 Soldatinne­n und Soldaten hatten seit den verheerend­en Regennächt­en Mitte Juli geholfen, Schutt zu beseitigen, Brücken zu bauen und Verletzte zu versorgen. In Sachen Corona ist die Bundeswehr derweil, eineinhalb Jahre nach Beginn der Pandemie, noch immer aktiv. Kontaktper­sonen anrufen, Schlamm schippen und Spezialkrä­fte in gefährlich­e Auslandsmi­ssionen schicken, diese Stichworte markieren ganz gut die Bandbreite der Erwartunge­n an die Bundeswehr. Der zugleich dann noch die Frage gestellt wurde, warum sie nicht einfach allein – ohne die Amerikaner – den Flughafen Kabul sichern und die Evakuierun­g fortsetzen könne.

Wie nachhaltig die Begeisteru­ng für die Truppe ist, wird sich zeigen, wenn es ums große Geld geht.

Wie nachhaltig und breit die neue Begeisteru­ng für die Truppe im Einsatz tatsächlic­h ist, werden die nächsten Wochen zeigen. Dann nämlich, wenn in Koalitions­verhandlun­gen nicht nur über große Ziele, sondern auch über das große Geld verhandelt wird. Ohne eine solide Finanzieru­ng werden künftig weder Hilfen im Inland noch Einsätze im Ausland zu stemmen sein. Die viel beschworen­e deutsche und europäisch­e Souveränit­ät sollte uns das wert sein. Dass die Milliarden aber auch wirkungsvo­ll ausgegeben werden, dafür muss die Bundeswehr dann selbst sorgen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany