Schleuser suchen neue Routen nach Europa
Die Küstenwache registriert wieder mehr Migranten, die von der Türkei zu den ostägäischen Inseln kommen. Die Hälfte der Schutzsuchenden sind Afghanen.
Athen. Vergangene Woche vor der Insel Milos in der südlichen Ägäis: Die griechische Küstenwache stoppt eine verdächtige Motorjacht. Als die Männer der Küstenwache an Bord des Schiffes gehen, entdecken sie dort zusammengepfercht 122 Migranten. Sie bringen die Menschen an Land. Die Jacht wird beschlagnahmt, zwei mutmaßliche türkische Schleuser werden festgenommen.
Der Aufgriff vor Milos bestätigt einen Trend, den die griechische Küstenwache und der Geheimdienst in jüngster Zeit beobachten. Immer häufiger bringen Menschenschmuggler Migranten von der türkischen Küste direkt nach Italien. Doch auch in Griechenland nimmt der Migrationsdruck wieder zu. Die Zahl der Schutzsuchenden, die übers Meer und über den Grenzfluss Evros aus der Türkei nach Griechenland kommen, ging in den ersten sieben Monaten dieses Jahres gegenüber 2020 zwar um 60 Prozent zurück. Aber seit Anfang August versuchen wieder mehr Migranten, die Grenze zu überqueren. In der ersten August-woche setzten 37 Menschen von der türkischen Küste zu den Ägäisinseln über, in der zweiten waren es bereits 64 und in der dritten 153. Auch an der Landgrenze zur Türkei melden Polizei und Armee wieder mehr versuchte Übertritte. In Erwartung einer möglichen Flüchtlingswelle aus Afghanistan hat Griechenland seinen Grenzschutz verstärkt. Weil das Land seine See- und Landgrenze immer mehr abriegelt, suchen die Schleuser neue Wege nach Europa.
Die vor Milos aufgebrachte Jacht ist kein Einzelfall. Bereits zwei Tage zuvor hatte die Küstenwache vor der Insel Kythira zwei Segler mit insgesamt 107 Migranten gestoppt. Kythira liegt vor der Südspitze der Halbinsel Peloponnes. Sie befindet sich, wie Milos, weitab der üblichen Schleuserrouten, die von der türkischen Küste zu den vorgelagerten griechischen Inseln wie Lesbos, Samos, Kos oder Chios führen.
Oft 10 000 Euro pro Fahrt
Nach Radarbeobachtungen der griechischen Küstenwache sind allein in der letzten Augustwoche etwa 15 Segel- und Motorjachten von der türkische Küste durch die südliche Ägäis nach Italien gelangt. Nach einem internen Bericht der Eu-kommission kamen auf diesem Weg seit Jahresbeginn 4739 Migranten direkt aus der Türkei nach Italien. Das sind mehr als jene 4577, die im gleichen Zeitraum von der türkischen Küste zu den nur wenige Kilometer entfernten griechischen Inseln übersetzten. Für die rund 700 Seemeilen lange Reise nach Italien kassieren die Schleuser nach Erkenntnissen griechischer Ermittler pro Passagier bis zu 10 000 Euro. Leisten können sich das nur wohlhabende Migranten. Zu den Kosten kommt die Gefahr. Denn meist sind die Boote, auf denen die Menschenschmuggler die Überfahrten anbieten, marode und hoffnungslos überladen.