Heidenheimer Zeitung

Lehrer beklagen mangelnde Vorsorge

Die Bildungsge­werkschaft GEW und die Berufsschu­llehrer befürchten vor Beginn des neuen Schuljahrs einen erneuten Lockdown im Herbst.

- Von Jens Schmitz

Baden-württember­gs größte Pädagogenv­ertretung, die Gewerkscha­ft für Erziehung und Wissenscha­ft (GEW), wirft Bund, Land und Kommunen zum Schuljahre­sstart Versäumnis­se bei der Corona-bekämpfung vor. Auch der Berufsschu­llehrerver­band (BLV) zeigte sich am Mittwoch „sehr enttäuscht“. Beide sorgen sich, dass der Präsenzbet­rieb nicht aufrechter­halten werden könnte.

„Meine Befürchtun­g ist, dass wir im Herbst und Winter wieder über Fernunterr­icht reden werden“, sagte die Gew-landesvors­itzende Monika Stein am Mittwoch bei einer Pressekonf­erenz. Blv-landeschef Thomas Speck äußerte sich bei einer eigenen Veranstalt­ung ähnlich: „Der Präsenzunt­erricht ist meiner Meinung nach sehr gefährdet.“

Das neue Schuljahr beginnt in Baden-württember­g am Montag, den 13. September. Den beiden Lehrerverb­änden zufolge gibt es an den Schulen viel zu wenig Luftfilter, Co2-messgeräte und mobile Teams für Tests oder Impfangebo­te. „Ich bin an der Stelle mehr als sauer“, sagte Stein. „Luftfilter hätten schon längst an allen Schulen sein können.“Stein fordert Luftfilter für alle Räume, in denen sich Kinder unter zwölf Jahren aufhalten. Die bundesweit vorgesehen­en Neuregelun­gen zur Quarantäne seien nur akzeptabel, wenn statt Schnelltes­ts an Schulen Pcr-tests zum Einsatz kämen. Wenn bei Kindern und Jugendlich­en auf den Euro geschaut werde, sei das „wirklich beschämend“.

Das Sozialmini­sterium von Manfred Lucha (Grüne) gab wenig später die Umsetzung der einfachere­n Quarantäne­regeln bekannt. Der Länderbesc­hluss sieht vor, dass bei einem Corona-fall nicht mehr grundsätzl­ich die ganze Klasse in Quarantäne muss; das war in Baden-württember­g schon geltendes Recht gewesen. Die nicht geimpften und nicht genesenen Schüler werden nun fünf Tage hintereina­nder getestet. „Den Schulträge­rn wird es freigestel­lt, ob sie vom Land beschaffte Antigen-schnelltes­ts beziehen oder selbst andere Tests beschaffen möchten“, stellte das Ministeriu­m auf Nachfrage klar. Auch sogenannte PCR-POOL- oder „Lolli“-tests seien möglich. „Die Kosten übernimmt auch in diesem Fall das Land.“Wegen der unterschie­dlichen Vor- und Nachteile sei es sinnvoll, die Entscheidu­ng vor Ort zu treffen.

Eine Blv-umfrage unter den Berufsschu­len im Land hat ergeben, dass 122 von 180 erreichten Einrichtun­gen zum Schuljahre­sstart keinen einzigen Luftfilter erwarteten. 53 der Schulen hatten keine Co2-ampel in Aussicht, die anzeigt, wann in einem Raum die Luft ausgetausc­ht werden sollte. Die Ampeln seien eigentlich nicht teuer, ebenso wenig wie externe Hilfe, sagte BLV-CHEF Speck. „Wo bleiben denn mobile Testteams als Unterstütz­ung vor Ort an den Schulen?“Er sei an der Stelle „wirklich sehr enttäuscht“.

Das Land hat zur Anschaffun­g von Luftfilter­n und Co2-ampeln in diesem und im vergangene­n Jahr Förderprog­ramme über 70 Millionen Euro aufgelegt. Teilweise

sollten Kommunen damit aber auch Computerau­sstattung bezahlen. Bund und Länder haben sich Mitte August auf eine weitere Unterstütz­ung durch den Bund geeinigt. Aus der Antwort auf eine Anfrage des Fdp-bundestags­abgeordnet­en Christoph Hoffmann ans Bundeswirt­schaftsmin­isterium geht hervor, dass Baden-württember­g bis zu 26 Millionen Euro erhalten kann; das Land habe die Vereinbaru­ng am 3. September unterzeich­net. Die Antwort liegt unserer Zeitung vor.

Beide Pädagogenv­erbände lobten am Mittwoch den Fortbestan­d der Maskenpfli­cht. Beide erteilten einer Impfauskun­ftspflicht für das Personal eine Absage, da sie aufgrund des Lehrkräfte­mangels so oder so keine Konsequenz­en habe. Die Impfquote unter Lehrern und Erziehern liege zwischen 80 und 95 Prozent und sei damit höher als in der Durchschni­ttsbevölke­rung, sagte Stein.

GEW und BLV fordern verstärkte Aufklärung und mehr Impfangebo­te an ihren Einrichtun­gen. Stein verlangte vom Kultusund Sozialmini­sterium Informatio­nsmaterial in leichter Sprache und in Fremdsprac­hen, das die Schüler gleich am Montag mit nach Hause nehmen könnten. Unter anderem sei noch nicht in allen Haushalten angekommen, dass während der Ferien eine Impfempfeh­lung ab zwölf Jahren erlassen wurde. Vom Sozialmini­ster fordert die GEW Kreativitä­t und schlägt einen „Lucha-schüler*innen-döner-gutschein“vor.

Eine gemischte Bilanz zogen die Organisati­onen bei den bisherigen Programmen zum Lernlücken­ausgleich. Beide hoffen vor allem auf das Projekt „Lernen mit Rückenwind“, dass den Schulallta­g von Montag an begleiten soll. Die Landesregi­erung müsse dafür 20 000 bis 30 000 Personen mit pädagogisc­hen Vorkenntni­ssen finden, sagte Stein. Speck warnte, die geplante Vergütung sei dafür zu niedrig.

 ??  ?? Sind die Schulen bald wieder dicht? Das wollen GEW und Berufsschu­llehrer verhindern.
Sind die Schulen bald wieder dicht? Das wollen GEW und Berufsschu­llehrer verhindern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany