Warum sind Ranzen so teuer?
Um die 300 Euro müssen Eltern in einem Fachgeschäft zahlen. Inzwischen ist das Kartellamt eingeschritten.
Der passt. Ganz eindeutig. Der Schulranzen hängt bei der Anprobe nicht zu hoch und nicht zu tief, er ist nicht zu breit und nicht zu schwer. Bei einem anderen Modell der Auswahl, die im Fachgeschäft einen ganzen Raum füllt, hatte es die sechsjährige Marie – laut Urteil der Verkäuferin schmal, aber groß – nach hinten gezogen und fast umgeworfen, obwohl der Ranzen noch leer war. Viel Stauraum habe er auch, und er lasse sich zu einem Rucksack umbauen, wenn man die steifen Seitenteile entfernt, erklärt die Verkäuferin. Eine passende Farbe ist bald gefunden, Zugabe sind Pferde-magnete, die man am Schulranzen anbringen kann.
Sophie Herre ist zufrieden. Bis sie das Preisschild sieht: 349 Euro. Es gibt zwar durchaus günstigere Modelle hinten in der Ecke, die ab 150 Euro zu haben sind. Aber da winkt die Verkäuferin gleich ab. Nicht gut verarbeitet, keine gute Qualität. Herre schluckt und zahlt – wenigstens ist das Kind, das in die 1. Klasse kommt, stolz und glücklich.
Viele Eltern müssen jedes Jahr tief in die Tasche greifen, um ihren Kindern einen Schulranzen oder einen Schulrucksack zu kaufen. Die meisten kosten zwischen 250 und 350 Euro. Doch warum sind sie so teuer?
Die Firma Southbag, nach eigenen Angaben einer der größten Lederwarenhändler Deutschlands mit Geschäften und einem Online-shop, führt mehrere Gründe auf, warum der Preis aus ihrer Sicht angemessen ist: Zunächst seien hochpreisige Markenranzen im Bereich des Materials überlegen, was sie langlebiger mache. Auch zusätzliche Funktionen, wie zum Beispiel Extra-fächer,
erleichterten den Schulalltag enorm, außerdem sei im Preis oft Zubehör wie Mäppchen oder Sporttasche enthalten. „Doch am wichtigsten ist, dass man bei der Gesundheit des Kindes auf Nummer Sicher geht, da hochpreisige Rucksäcke ergonomischer
Präsident des Bundeskartellamtes
konzipiert sind und besser auf die Bedürfnisse Ihres Kindes eingestellt werden können.“
Experten sehen noch einen anderen Grund: Es herrsche kaum Preiswettbewerb zwischen den Anbietern und im Handel. Das liegt auch daran, dass der Markt sehr klein ist, weil klassische Schulranzen fast ausschließlich in Deutschland verkauft werden und die meisten Kinder auch nur einen Schulranzen in ihrem Leben bekommen. Da spielt auch die Demographie eine große Rolle. Außerdem gehen immer noch viele Verbraucher für diesen Kauf ins Fachgeschäft, selbst wenn sie sonst viel online kaufen. Das ist ein für die Händler zeit- und kostenaufwendiges Geschäft, eine Beratung braucht um die 40 Minuten. Die Marge der Händler liegt im Schnitt bei 35 Prozent, berichtet „Zeit Online“.
Marktführer ist das Nürnberger Unternehmen Fritz Steinmann, das die Marke Scout herstellt. Der Umsatz der Steinmann Gruppe betrug im Jahr 2016 insgesamt rund 5,7 Millionen Euro. Dazu gibt es bekannte Marken wie Step by Step, Derdiedas oder Mcneill.
Öffentliche Aufmerksamkeit erregte vor Jahren das Kölner Start-up Fond Of, das „Ergobag“und „Satch“auf den Markt brachte und damit die etablierten Hersteller unter Druck setzte. Das Kartellamt verhängte gegen das Unternehmen nun eine Geldbuße
in Höhe von rund 2 Millionen Euro.
Der Vorwurf: vertikale Preisbindung, auch „Preisbindung der zweiten Hand“genannt. Die liegt vor, wenn sich der Handel vertraglich verpflichtet, beim Verkauf an den Endverbraucher die vom Hersteller vorgeschriebenen Endverkaufspreise zu fordern. Dadurch soll Preiswettbewerb innerhalb des Handels ausgeschaltet werden. Fond Of wird also vorgeworfen, mit ihm kooperierende Händler beim Vertrieb von Schulranzen und Rucksäcken in ihrer Preissetzung eingeschränkt zu haben.
Zum Schutz der Kinder ist die Zahlungsbereitschaft bei vielen Eltern relativ groß.
Andreas Mundt
Sogar Sanktionen gegen Händler
„Das Unternehmen Fond Of hat über Jahre hinweg Mindestpreise für seine Schulrucksäcke und -taschen vorgegeben und dafür gesorgt, dass die beteiligten Händler diese Preise nicht unterschreiten“, sagt Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes.
Der Hersteller habe dabei die Preissetzung systematisch kontrolliert und die Einhaltung der Mindestpreise auch mit Sanktionen gegen die Händler durchgesetzt. „Hersteller dürfen aus gutem Grund schon seit den 70er Jahren nur unverbindliche Preisempfehlungen machen“, erklärt er weiter.
Denn vertikale Preisbindungen gingen häufig zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher und könnten dazu führen, dass diese im Ergebnis höhere Preise zahlen müssten. „Gerade bei Schulrucksäcken und Schultaschen ist die Zahlungsbereitschaft der Eltern zum Schutz der Kinder relativ groß. Hier noch zusätzlich eine Preisbindung durchzusetzen, ist in keiner Weise akzeptabel.“