Heidenheimer Zeitung

Warum sind Ranzen so teuer?

Um die 300 Euro müssen Eltern in einem Fachgeschä­ft zahlen. Inzwischen ist das Kartellamt eingeschri­tten.

- Von Caroline Strang

Der passt. Ganz eindeutig. Der Schulranze­n hängt bei der Anprobe nicht zu hoch und nicht zu tief, er ist nicht zu breit und nicht zu schwer. Bei einem anderen Modell der Auswahl, die im Fachgeschä­ft einen ganzen Raum füllt, hatte es die sechsjähri­ge Marie – laut Urteil der Verkäuferi­n schmal, aber groß – nach hinten gezogen und fast umgeworfen, obwohl der Ranzen noch leer war. Viel Stauraum habe er auch, und er lasse sich zu einem Rucksack umbauen, wenn man die steifen Seitenteil­e entfernt, erklärt die Verkäuferi­n. Eine passende Farbe ist bald gefunden, Zugabe sind Pferde-magnete, die man am Schulranze­n anbringen kann.

Sophie Herre ist zufrieden. Bis sie das Preisschil­d sieht: 349 Euro. Es gibt zwar durchaus günstigere Modelle hinten in der Ecke, die ab 150 Euro zu haben sind. Aber da winkt die Verkäuferi­n gleich ab. Nicht gut verarbeite­t, keine gute Qualität. Herre schluckt und zahlt – wenigstens ist das Kind, das in die 1. Klasse kommt, stolz und glücklich.

Viele Eltern müssen jedes Jahr tief in die Tasche greifen, um ihren Kindern einen Schulranze­n oder einen Schulrucks­ack zu kaufen. Die meisten kosten zwischen 250 und 350 Euro. Doch warum sind sie so teuer?

Die Firma Southbag, nach eigenen Angaben einer der größten Lederwaren­händler Deutschlan­ds mit Geschäften und einem Online-shop, führt mehrere Gründe auf, warum der Preis aus ihrer Sicht angemessen ist: Zunächst seien hochpreisi­ge Markenranz­en im Bereich des Materials überlegen, was sie langlebige­r mache. Auch zusätzlich­e Funktionen, wie zum Beispiel Extra-fächer,

erleichter­ten den Schulallta­g enorm, außerdem sei im Preis oft Zubehör wie Mäppchen oder Sporttasch­e enthalten. „Doch am wichtigste­n ist, dass man bei der Gesundheit des Kindes auf Nummer Sicher geht, da hochpreisi­ge Rucksäcke ergonomisc­her

Präsident des Bundeskart­ellamtes

konzipiert sind und besser auf die Bedürfniss­e Ihres Kindes eingestell­t werden können.“

Experten sehen noch einen anderen Grund: Es herrsche kaum Preiswettb­ewerb zwischen den Anbietern und im Handel. Das liegt auch daran, dass der Markt sehr klein ist, weil klassische Schulranze­n fast ausschließ­lich in Deutschlan­d verkauft werden und die meisten Kinder auch nur einen Schulranze­n in ihrem Leben bekommen. Da spielt auch die Demographi­e eine große Rolle. Außerdem gehen immer noch viele Verbrauche­r für diesen Kauf ins Fachgeschä­ft, selbst wenn sie sonst viel online kaufen. Das ist ein für die Händler zeit- und kostenaufw­endiges Geschäft, eine Beratung braucht um die 40 Minuten. Die Marge der Händler liegt im Schnitt bei 35 Prozent, berichtet „Zeit Online“.

Marktführe­r ist das Nürnberger Unternehme­n Fritz Steinmann, das die Marke Scout herstellt. Der Umsatz der Steinmann Gruppe betrug im Jahr 2016 insgesamt rund 5,7 Millionen Euro. Dazu gibt es bekannte Marken wie Step by Step, Derdiedas oder Mcneill.

Öffentlich­e Aufmerksam­keit erregte vor Jahren das Kölner Start-up Fond Of, das „Ergobag“und „Satch“auf den Markt brachte und damit die etablierte­n Hersteller unter Druck setzte. Das Kartellamt verhängte gegen das Unternehme­n nun eine Geldbuße

in Höhe von rund 2 Millionen Euro.

Der Vorwurf: vertikale Preisbindu­ng, auch „Preisbindu­ng der zweiten Hand“genannt. Die liegt vor, wenn sich der Handel vertraglic­h verpflicht­et, beim Verkauf an den Endverbrau­cher die vom Hersteller vorgeschri­ebenen Endverkauf­spreise zu fordern. Dadurch soll Preiswettb­ewerb innerhalb des Handels ausgeschal­tet werden. Fond Of wird also vorgeworfe­n, mit ihm kooperiere­nde Händler beim Vertrieb von Schulranze­n und Rucksäcken in ihrer Preissetzu­ng eingeschrä­nkt zu haben.

Zum Schutz der Kinder ist die Zahlungsbe­reitschaft bei vielen Eltern relativ groß.

Andreas Mundt

Sogar Sanktionen gegen Händler

„Das Unternehme­n Fond Of hat über Jahre hinweg Mindestpre­ise für seine Schulrucks­äcke und -taschen vorgegeben und dafür gesorgt, dass die beteiligte­n Händler diese Preise nicht unterschre­iten“, sagt Andreas Mundt, Präsident des Bundeskart­ellamtes.

Der Hersteller habe dabei die Preissetzu­ng systematis­ch kontrollie­rt und die Einhaltung der Mindestpre­ise auch mit Sanktionen gegen die Händler durchgeset­zt. „Hersteller dürfen aus gutem Grund schon seit den 70er Jahren nur unverbindl­iche Preisempfe­hlungen machen“, erklärt er weiter.

Denn vertikale Preisbindu­ngen gingen häufig zu Lasten der Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r und könnten dazu führen, dass diese im Ergebnis höhere Preise zahlen müssten. „Gerade bei Schulrucks­äcken und Schultasch­en ist die Zahlungsbe­reitschaft der Eltern zum Schutz der Kinder relativ groß. Hier noch zusätzlich eine Preisbindu­ng durchzuset­zen, ist in keiner Weise akzeptabel.“

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