Heidenheimer Zeitung

„Es war einfach zu kalt“

2021 war ein denkbar schlechtes Jahr für Bienen und Imker. Im Frühjahr drohten viele Völker im Landkreis zu verhungern – und bei einigen ist es auch so gekommen.

- Von Christine Weinschenk

Die schlechte Nachricht gleich vorweg: Es war kein gutes Bienenjahr. Eher ein miserables. Was die Imker im Landkreis berichten, hört sich bisweilen dramatisch an. Etwa Dr. Karsten Stief vom Veterinära­mt Heidenheim. Er ist seit 17 Jahren Imker und Fachtierar­zt für Bienen. „Rund um Pfingsten wären meine Völker fast verhungert“, sagt er. „Es war einfach zu kalt.“

Der Nektarflus­s der blühenden Pflanzen setzt laut Karsten Stief in der Regel erst bei 17 Grad Celsius ein. Eine der wenigen Ausnahmen: Raps. „Bei Raps setzt der Fluss bereits bei zwölf Grad ein, also habe ich meine Bienen aus der puren Not heraus an ein Rapsfeld gestellt. Dadurch sind sie gerade so durchgekom­men.“Das kalte Frühjahr macht sich nun auch im Honigertra­g bemerkbar. „In Fachzeitsc­hriften ist zu lesen, dass es in ganz Baden-württember­g nur sehr wenig Honig gibt“, sagt Stief. Pro Bienenvolk etwa sieben Kilo. Erwartbar seien zwischen 17 und 19 Kilo.

Umziehen oder zufüttern

Wie für Karsten Stief gab es auch für andere Imker in diesem Jahr oft nur die Möglichkei­t, den Standort zu wechseln oder zuzufütter­n. Für Tobias Fechter, den stellvertr­etendenden Vorsitzend­en der Härtsfelde­r Imkerschul­e war Letzteres aber keine Option. „Wir wollen hochwertig­e Produkte produziere­n, und wenn wir Zuckerwass­er zufüttern, durchmisch­t sich das auch mit dem Honig und das kann meiner Meinung nach nicht das Ziel sein.“

Doch auch Fechters Bienenvölk­er waren im Frühjahr kurz vor dem Hungertod. „Die Flugbienen haben sich totgefloge­n, weil sie nichts gefunden haben, aber meine Völker leben zum Glück noch.“Auch im Sommer hätten die Bienen wenig gefunden, weil der viele und teils starke Regen den Nektar ausgewasch­en habe. „Es war wirklich ein sehr schwierige­s Jahr.“

Und Fechters Blick in die Zukunft ist ebenfalls wenig optimistis­ch. „Natürlich kann man den Standort wechseln. Aber wo soll man immer hin?“Ein befreundet­er Imker sei europaweit mit seinen Bienen unterwegs und machte heuer dieselben Erfahrunge­n.“Die Konsequenz? „Wenn es so weitergeht, wird der deutsche Honig noch exklusiver. Das heißt dann wohl auch teurer, sonst lohnt sich die Imkerei nicht mehr – und wird zur reinen Liebhabere­i.“Und ob die Kunden an der Kasse mehr für den Honig bezahlen werden? Fechter ist auch hier unsicher. „Es wird wohl nicht funktionie­ren, weil deutsche Imker im Supermarkt mit den billigen Produkten aus China konkurrier­en müssen.“

„Verheerend, traurig“

Und noch eine Stimme aus dem Landkreis. Kenny Flack aus Herbrechti­ngen ist Imker und für das Landratsam­t ehrenamtli­cher Fachberate­r für Hornissenf­ragen und zuständig für Gerstetten, Niederstot­zingen und Sontheim/ Brenz. Schrecklic­h, verheerend, traurig sind die Begriffe, die er verwendet, wenn man ihn nach dem Bienenjahr fragt. Von den elf Völkern, mit denen er in die Saison gestartet ist, sind nur noch zweieinhal­b übrig. „Der Rest ist wegen der Kälte und Nässe verhungert. Ich habe in diesem Jahr nicht ein Glas Honig herausbeko­mmen“, sagt Flack.

Um die noch lebenden Völker zu retten, füttert sie Flack mit Zuckersiru­p. „Es ist wirklich schlimm, man hängt ja an den Tieren und die Nachbarn sind enttäuscht, weil es keinen Honig gibt. Nächstes Jahr muss es einfach besser werden.“Und wie sollte das Wetter dafür sein? „So wie in den vergangene­n Tagen. Nicht zu heiß, nicht zu kalt, um die 25 Grad und feucht“, fasst Flack zusammen. „In unserem Garten ist jetzt reger Flugverkeh­r, aber das Angebot in den Blüten ist nicht mehr ausreichen­d vorhanden. Meteorolog­isch haben wir ja schon Herbst.“

Wespen und Hornissen

Und wie war das Jahr für andere Insekten? Etwa für Wespen und Hornissen. Kenny Flack: „Im vergangene­n Jahr hat das Telefon bei uns nicht stillgesta­nden.“Jede Woche hatte er mindestens einen

Einsatz, um etwa ein Nest der unter Schutz stehenden Hornissen umzusiedel­n. Und 2021? „Es gab keine Anrufe und ich hatte keinen einzigen Einsatz“, sagt er. Auch für wildlebend­e Insekten sei das Futterange­bot zu gering gewesen.

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Foto: Jennifer Räpple/archiv Bienen konnten in diesem Jahr kaum Nektar sammeln.

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