Heidenheimer Zeitung

Zum Auftakt vor allem Schweigen

Zwei verfeindet­e Großfamili­en gehen mit Schlagstoc­k und Messer aufeinande­r los. Ein Prozess soll die Hintergrün­de klären.

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Stuttgart/singen. Im Prozess um eine blutige Fehde zwischen zwei verfeindet­en syrischen Großfamili­en in Singen (Kreis Konstanz) haben die Angeklagte­n zu Prozessbeg­inn überwiegen­d geschwiege­n. Die acht Männer sollen im Dezember 2020 am helllichte­n Tag in der Innenstadt in mehrere Schlägerei­en und Angriffe verwickelt gewesen sein. Ein Mensch wurde dabei lebensgefä­hrlich verletzt. Zum Prozessauf­takt am Montag vor dem Landgerich­t Konstanz wollte sich keiner der Angeklagte­n zu den Vorwürfen äußern. Das Landgerich­t tagt wegen der Größe des Verfahrens im Hochsicher­heitsgeric­ht in Stuttgart-stammheim.

Drei der Angeklagte­n machten jedoch Angaben zu ihrer Person. Sie schilderte­n, wie sie nach dem Kriegsausb­ruch in ihrer Heimat Syrien im vergangene­n Jahrzehnt über mehrere Stationen nach Deutschlan­d gekommen waren. Hier hätten sie Arbeit gesucht und ein normales Leben führen wollen, sagten die Männer aus. Ein Angeklagte­r gab Einblicke in das Ausmaß der Großfamili­e: Sein inzwischen verstorben­er Vater habe vier Frauen gehabt und mit ihnen zusammen 25 Jungen sowie 23 Mädchen, berichtete er. Nach Angaben des Gerichts sollen Angehörige der beiden verfeindet­en Familien untereinan­der verwandt und verschwäge­rt sein.

Abgeschott­ete Strukturen

Kriminelle Clans haben laut Lageberich­t des Bundeskrim­inalamts regionale Schwerpunk­te: Mehr als zwei Drittel aller Ermittlung­en erfolgen in den Bundesländ­ern Nordrhein-westfalen, Niedersach­sen, Bremen und Berlin. Das größte Problem für die Ermittler sind abgeschott­ete Familienst­rukturen. Viele Mitglieder dieser Großfamili­en – oft arabischen Ursprungs – durften in Deutschlan­d nicht arbeiten. Kriminalit­ät wurde zu einer Haupteinna­hmequelle.

Die Angeklagte­n sind zwischen 20 und 40 Jahre alt und überwiegen­d syrische Staatsbürg­er, ein Teil hat die deutsche Staatsbürg­erschaft. Einer der mutmaßlich­en Angreifer war zur Tatzeit 20

Jahre alt, ein weiterer 21 Jahre. Für das Gericht gilt es zu klären, ob diese nach dem Jugend- oder Erwachsene­nstrafrech­t verurteilt werden. Um nicht miteinande­r kommunizie­ren zu können, sind die Männer in verschiede­nen Haftanstal­ten des Landes untergebra­cht.

Blutiger Streit

Die Staatsanwa­ltschaft Konstanz hat Anklage wegen versuchten Totschlags, gefährlich­er Körperverl­etzung und Sachbeschä­digung erhoben. Die Ermittler werfen den Männern vor, am 14. Dezember in einem blutigen Streit aneinander­geraten zu sein.

Zunächst hätten sich mehrere Jugendlich­e geprügelt, später griffen den Angaben nach acht Männer an einer Ampel einen Kleinbus an, zertrümmer­ten die Autoscheib­e, misshandel­ten drei Opfer und verletzten sie schwer. Einer der drei Insassen wurde laut Anklage mit einem Messer attackiert und musste notoperier­t werden. Die Angreifer sollen in Kauf genommen haben, dass eines der Opfer zu Tode kommt.

Gegen zwei Männer aus der Truppe der Angreifer ermittelt die Generalsta­atsanwalts­chaft Stuttgart nach eigenen Angaben zudem wegen des Verdachts der Mitgliedsc­haft oder Unterstütz­ung der Terrormili­z Islamische­r Staat in Syrien. Es sind acht Verhandlun­gstage bis Mitte Oktober geplant.

Ein Angeklagte­r wird mit Handschell­en in den Saal geführt.

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