Heidenheimer Zeitung

Unbeliebte­r Job

- Stefan Kegel zum Posten des Außenminis­ters leitartike­l@swp.de

Das Amt des Außenminis­ters war in fast vergessene­n bundesdeut­schen Zeiten einmal ein Garant für Beliebthei­t. Man reiste durch die Welt, löste internatio­nale Probleme mit Diplomatie oder zuweilen einem dicken Scheckbuch und glänzte oft auch noch als Vizekanzle­r. Die Umfragewer­te von Hans-dietrich Genscher sind legendär. Für einige Politiker war es auch ein Sprungbret­t. Willy Brandt wurde danach Kanzler, Frank-walter Steinmeier Bundespräs­ident.

Der Mythos ist verflogen. Unter Amtsinhabe­r Heiko Maas führt das Ministeriu­m ein Schattenda­sein. Die außenpolit­ische Sonne strahlt aus einer anderen Richtung. In der Ära Angela Merkel wurden die großen Linien der Außenpolit­ik nicht vom Auswärtige­n Amt gezogen, sondern zwei Kilometer entfernt: im Kanzleramt. Hier die Köchin, da der Kellner.

Diese Entwicklun­g überrascht auf der einen Seite angesichts der großen weltpoliti­schen Probleme der letzten Jahre nicht. Die Zeit des bröckelnde­n transatlan­tischen Verhältnis­ses unter Us-präsident Donald Trump, Konflikte mit Riesen wie China, eine zerfasernd­e Europäisch­e Union oder auch der Ukraine-konflikt vor der Haustür der EU verschoben das politische Koordinate­nsystem in einer Weise, wie man es seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr erlebt hat.

Zwar sind Maas’ Diplomaten versiert. Aber mit den großen außenpolit­ischen Erfolgen kann sich letztlich die Kanzlerin schmücken, etwa mit der internatio­nalen Konferenz zur Beilegung des Bürgerkrie­gs in Libyen vor anderthalb Jahren. Die politische Dresche, wenn etwas schiefgeht, bezieht der Außenminis­ter. Beim Abzugs-debakel von Afghanista­n stand zuvorderst Maas im Kreuzfeuer. Nur die ohnehin zu Ende gehende Legislatur­periode

bewahrte ihn vor einer ernsthafte­n Rücktritts­debatte. Inzwischen wollen laut einer Umfrage 41 Prozent der Deutschen, dass der frühere Justizmini­ster der nächsten Bundesregi­erung nicht mehr angehört.

Auch nach dem 26. September wird der Außenminis­terposten nicht der prestigetr­ächtigste werden. Denn die Musik der Macht spielt auf einer ganz anderen Bühne. Angesichts der dramatisch hohen Schulden, die sich Deutschlan­d für die wirtschaft­lichen Maßnahmen gegen die Corona-pandemie aufgebürde­t hat, und der immensen Kosten zur Bekämpfung des Klimawande­ls rücken die Gewichte ganz eindeutig in andere Ressorts.

Und doch gibt es eine Chance für denjenigen, der künftig Deutschlan­ds Außenpolit­ik in der Welt vertreten

Für den künftigen Amtsinhabe­r bietet sich eine Lücke, um mit Ideen Deutschlan­ds Rolle zu stärken.

wird. Denn welcher der Kandidaten auch immer ins Kanzleramt einzieht – es wird kein internatio­nales Schwergewi­cht wie Angela Merkel sein, dessen Gravitatio­n der Macht sämtliche wichtigen Entscheidu­ngen an sich ziehen würde. Die Auswahl der Wahlkampf-themen zeigt sogar, dass den Kanzlerkan­didaten außenpolit­ische Fragen nicht besonders wichtig zu sein scheinen. Hier bietet sich für den künftigen Amtsinhabe­r eine Lücke, um mit Ideen und Initiative­n Deutschlan­ds Rolle in der Welt zu stärken. Der Ruf nach mehr deutscher Verantwort­ung ist internatio­nal deutlich zu vernehmen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany