Heidenheimer Zeitung

Gericht hängt Provokatio­n niedrig

Mordaufruf oder Wahlkampf: Für die Justiz ist der Satz „Hängt die Grünen“letzteres. Wo endet die Satire?

- Christian Rath

Chemnitz. Der III. Weg ist eine neonazisti­sche Kleinparte­i mit etwa 600 Mitglieder­n. Ihr Ziel ist ein „Deutscher Sozialismu­s“, also eine Art Nationalso­zialismus. Bei der Europawahl 2019 erhielt die Partei 0,0 Prozent der Stimmen. Im sächsische­n Zwickau und anderen Städten plakatiert­e sie einige hundert Mal: „Hängt die Grünen!“. Die Stadt Zwickau forderte die Nazi-partei auf, die Plakate abzuhängen. Es handele sich um Aufrufe zu Straftaten, was ebenfalls strafbar sei.

Die Nazi-partei wies darauf hin, dass auf dem Plakat auch eine Erläuterun­g stehe: „Macht unsere nationalre­volutionär­e Bewegung durch Plakatwerb­ung in unseren Parteifarb­en in Stadt und Land bekannt.“Tatsächlic­h ist grün auch die Parteifarb­e des III. Wegs. Es sollten also nicht Menschen aufgehängt werden, sondern Plakate des III. Wegs, so die Behauptung.

Die Stadt ließ das nicht gelten. Wer mit dem Auto an den Plakaten vorbeifahr­e, könne das Kleingedru­ckte nicht lesen. Für Autofahrer bleibe es bei dem Mordaufruf „Hängt die Grünen“.

Der III. Weg setzte nun beim Verwaltung­sgericht Chemnitz durch, dass seine Plakate vorerst hängen bleiben können. Die Richter verlangten nur, dass die Tafeln mindestens 100 Meter entfernt von Wahlplakte­n der Grünen aufgehängt werden. Hierdurch sei gewährleis­tet, dass die Plakate „vollständi­g gelesen und inhaltlich wahrgenomm­en werden.“Beide Seiten haben Beschwerde am Oberverwal­tungsgeric­ht Bautzen angekündig­t.

Der III. Weg hat den schlechten Witz nicht einmal erfunden. „Wir hängen nicht nur Plakate“, hieß es 2016 auf Werbetafel­n der konkurrier­ende Partei „Die Rechte“. Und die Satiriker von „Die Partei“plakatiert­en 2017 „Hier könnte ein Nazi hängen“. Kurioserwe­ise gab es für „Die Partei“damals viel Schulterkl­opfen. Das sei zwar ein derber Spaß, aber natürlich wisse jeder, dass es nicht um das Aufhängen von Nazis gehe, sondern darum, den Nazis Plakatfläc­he wegzunehme­n, indem man eigene Plakate aufhänge. Der III. Weg befindet sich mit seiner dreisten Erklärung, warum seine Plakate keine Gewaltaufr­ufe sein sollen, also in guter Tradition.

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