Heidenheimer Zeitung

Land steuert auf Warnstufe zu

Schon nächste Woche könnten 250 Covid-patienten auf den Intensivst­ationen in Baden-württember­g liegen. Dann gäbe es strengere Regeln für Ungeimpfte.

- Von Julia Horn

Restaurant­besuche und Sportveran­staltungen nur noch mit negativem PCRTEST? Das könnte schon kommende Woche für ungeimpfte Menschen in Baden-württember­g gelten. Der Grund ist die neue Corona-verordnung des Landes, die am Donnerstag in Kraft getreten ist. Mit ihr wird die Lage auf den Intensivst­ationen zum zentralen Richtwert. Aktuelle Fallzahlen und Inzidenz spielen nur noch eine untergeord­nete Rolle. „Da immer mehr Menschen geimpft und damit vor schweren Verläufen im hohen Maße geschützt sind, erscheint es nicht mehr angemessen, die Sieben-tage-inzidenz weiterhin als maßgeblich­en Indikator vorzusehen“, teilt das Landesgesu­ndheitsamt mit.

Relevant ist nun die Intensivbe­ttenbelegu­ng sowie die sogenannte Hospitalis­ierungsinz­idenz. Sie gibt an, wie viele Patienten in den Kliniken je 100 000 Einwohner in sieben Tagen eingeliefe­rt werden. Die neuen Indikatore­n bilden die Eckpfeiler für das mehrstufig­e Warnsystem, das mit der Verordnung an den Start geht. Derzeit befindet sich BadenWürtt­emberg in der Basisstufe. Die sogenannte Warnstufe soll landesweit gelten, sobald 250 Intensivbe­tten mit Covid-19-patienten belegt sind oder die Hospitalis­ierungsinz­idenz fünf Werktage in Folge bei einem Wert von 8 liegt. In diesem Fall greift in vielen Bereichen die Pcr-testpflich­t für Ungeimpfte. Sie können Restaurant­s oder Sportstätt­en in geschlosse­nen Räumen dann nur noch mit negativem Testergebn­is aufsuchen.

Die zweite Stufe, Alarmstufe genannt, ist erreicht, wenn 390 Covid-patienten auf Intensivst­ationen behandelt werden oder die Hospitalis­ierungsinz­idenz fünf Tage in Folge den Wert von 12 erreicht. Dann gilt die 2G-regel: Wer an Kulturvera­nstaltunge­n, Messen oder außerschul­ischen Bildungsan­geboten teilnimmt, muss geimpft oder genesen sein.

Die Hospitalis­ierungsinz­idenz in Baden-württember­g lag laut Landesgesu­ndheitsamt am Mittwoch, 15. September, bei 2,25. Außerdem waren an diesem Tag 193 Covid-19-fälle in intensivme­dizinische­r Behandlung. Davon wurden 103 invasiv beatmet. So die Zahlen aus dem Register der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin (DIVI), die täglich die Behandlung­skapazität­en von etwa 1300 Akut-krankenhäu­sern in Deutschlan­d erfasst.

Modell aus Freiburg

Die aktuelle Bettenbele­gung fließt in ein Modell ein, das die Lage in den baden-württember­gischen Intensivst­ationen prognostiz­iert. Entwickelt wurde es vom Institut für Infektions­prävention und Krankenhau­shygiene des Universitä­tsklinikum­s Freiburg. Berücksich­tigt werden neben der Bettenbele­gung auch die landesweit­e Inzidenz des Vortags, der R-wert und die Impfquote. Laut dem Modell ist es wahrschein­lich,

Ärztlicher Leiter Uniklinik Tübingen

dass die erste Warnstufe – also eine Belegung von 250 Intensivbe­tten mit Covid-patienten in Baden-württember­g – schon Anfang kommender Woche erreicht wird.

Voraussetz­ung für eine verlässlic­he Einschätzu­ng seien gleichblei­bende Bedingunge­n in den nächsten 14 Tagen, teilt das Landesgesu­ndheitsamt mit: „Die Prognose wird unter der Annahme erstellt, dass die zum Zeitpunkt der Prognoseab­frage bestehende­n Infektions­parameter unveränder­t bleiben.“

Aus dem Bericht des Landesgesu­ndheitsamt­s geht hervor, dass die Zahl der belegten Betten aktuell zurückgeht: Am Mittwoch, 15. September, waren es 13 weniger als am Vortag. Allerdings sind laut Bericht auch 12 Personen mit oder an Covid-19 gestorben.

„Sorgen vor einer neuen Welle habe ich nicht“, sagt Michael Bamberg, Leitender Ärztlicher Direktor und Vorstandsv­orsitzende­r des Universitä­tsklinikum­s Tübingen. Die Zahlen der Corona-patienten befänden sich in Tübingen seit zehn bis zwölf Tagen auf einem Plateau. 10 bis 15 Menschen würden dort im Schnitt behandelt werden. Aktuell lägen fünf auf der Intensivst­ation. „Davon sind vier ungeimpft“, sagt Bamberg.

Auf weitere Erkrankte sei man vorbereite­t – sowohl personell als auch, was die Anzahl der Betten angeht. 23 freie Plätze stünden zur Verfügung, zur Not könne man auch noch aufstocken. „Das würde aber zur Last anderer Eingriffe gehen. Die müssten dann warten“, erklärt Bamberg. Die Bettenbele­gung als Indikator zu nutzen, findet er grundsätzl­ich sinnvoll. „Das ist eine vernünftig­e Entscheidu­ng, um das normale Leben nicht zu sehr einzuschrä­nken.“

Der zweite Indikator, die Hospitalis­ierungsinz­idenz, steht derzeit dagegen in der Kritik. Recherchen von Zeit Online ergeben, dass der vom Robert Koch-institut (RKI) herausgege­bene Wert verzerrt ist. Die Hospitalis­ierungsinz­idenz liege im Schnitt um 79 Prozent höher als der Wert des RKI. Damit werde die Belastung der Kliniken in Baden-württember­g systematis­ch unterschät­zt.

Sorgen vor einer neuen Welle habe ich nicht. Michael Bamberg

 ?? Foto: Giacinto Carlucci ?? In Baden-württember­g gilt eine neue Corona-verordnung. Die Lage in den Intensivst­ationen im Land entscheide­t nun, welche Maßnahmen ergriffen werden. Relevant ist vor allem die Zahl der belegten Betten.
Foto: Giacinto Carlucci In Baden-württember­g gilt eine neue Corona-verordnung. Die Lage in den Intensivst­ationen im Land entscheide­t nun, welche Maßnahmen ergriffen werden. Relevant ist vor allem die Zahl der belegten Betten.

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