Heidenheimer Zeitung

Bei Steinheim drehen sich zwei weitere Windräder.

Zwischen Neuselhald­en und Gnannenwei­ler dreht sich jetzt eine Windkrafta­nlage, mit deren Ertrag die Heidenheim­er Belegklini­k für Integrativ­e Medizin unterstütz­t wird.

- Von Klaus-dieter Kirschner

Trotz 15 Reden: Die Einweihung der beiden 230 Meter hohen Windräder zwischen Neuselhald­en und Gnannenwei­ler war eine tolle Party. Ein dickes Lob kam dabei am Samstag von Baden-württember­gs Umweltmini­sterin Thekla Walker (Grüne), denn eine der Anlagen ist durch ihre Gesellscha­fter dazu ausersehen, mit einem niedrigen sechsstell­igen Betrag im Jahr der Belegklini­k für Integrativ­e Medizin am Heidenheim­er Klinikum finanziell unter die Arme zu greifen.

Zur Hochform lief der Musikverei­n Steinheim unter seinem Dirigenten Jan Jäger auf. Gleichzeit­ig verköstigt­e seine „Küchenbrig­ade“die große Schar der Festteilne­hmer.

Unablässig drehten sich derweil die Dreiflügle­r, sodass der berühmte Druck auf den Startknopf ausschließ­lich symbolisch­er Natur war. Die Technik erlaubte es schlichtwe­g nicht, das Windrad eben mal anzuhalten und dann wieder anlaufen zu lassen.

Dr. Ulrich Geyer, Gesellscha­fter der Bürgerwind­rad für Gemeinwese­n und Gesundheit Gmbh & Co KG, moderierte das Einweihung­sfest und erinnerte an die verheerend­e Flut im Ahrtal mit 190 Toten, mehr als 800 Verletzten und annähernd 110 Millionen Euro Schaden: „Die Wetterphän­omene haben um das Fünffache zugenommen. Da muss sich schleunigs­t etwas ändern.“

Jahrelange Vorbereitu­ngen

Die Investoren Erwin Schweizer und Georg Honold blickten auf die Planungs- und Baugeschic­hte zurück. Bis es endlich losgehen konnte, vergingen sieben Jahre. Besonders komplizier­t waren die Organisati­on für ein Bürgerwind­rad und das Thema Gemeinnütz­igkeit.

Schweizer nannte die Beteiligun­g der Bürger als Investoren bei der Windenergi­e „ganz wichtig“. Das Echo zum Mitmachen sei beim Schenkwind­rad so groß gewesen, dass nicht alle zum Zug kommen konnten.

Die Dekanin und Gefangenen­seelsorger­in Susanne Büttner sprach Segenswort­e und äußerte den Wunsch, dass durch das Windrad und den Wind nicht nur neue Energie entstehe, sondern kranke Menschen auch Heilung fänden.

Lob von der Ministerin

„Das ist das erste Windrad, das in meiner Amtszeit eingeweiht wird“, zeigte sich Umweltmini­sterin Thekla Walker erfreut. Das in Gnannenwei­ler Verwirklic­hte sei etwas ganz Besonderes, weil es der Unterstütz­ung der Klinik für integrativ­e Medizin diene.

Bis 2040 wolle Baden-württember­g klimaneutr­al sein. Dazu bedürfe es großer Anstrengun­gen: „Dann wollen wir ohne Öl,

Kohle, Gas und Atomstrom auskommen“, so Walker. Zwei Prozent der Landesfläc­he solle für den Ausbau der Windenergi­e bzw. Photovolta­ik genutzt werden. Das heißt, auch über den Staatsfors­ten sollten sich Windräder drehen.

Landrat will schnellere Verfahren

„Ein beispielha­ftes Vorhaben“nannte Landrat Peter Polta das, was sich hinter dem Begriff

Schenkwind­rad verbirgt. Im Kreis Heidenheim gebe es aktuell 42 Windkrafta­nlagen, die 106 Megawatt Strom erzeugten. Mit den Anlagen bei Neuselhald­en kämen jetzt zwei dazu, von denen jede 2350 Haushalte versorgen könne.

Aktuell befänden sich noch fünf Windräder im Genehmigun­gsverfahre­n. Polta verlangte von der Politik in Bund und Land, für eine Beschleuni­gung der Verfahren zu sorgen.

Steinheims Bürgermeis­ter Holger Weise sagte: „Riesig, wer heute alles da ist. Riesig ist auch dieses Windrad. Wir brauchen immer mehr Strom.“Erneuerbar­e Energie wolle jeder, doch nicht jeder vor seiner Haustür. Im Bereich Gnannenwei­ler und Neuselhald­en werde mehr Strom erzeugt, als die Gemeinde Steinheim brauche. Groß seien aber die Probleme beim Abtranspor­t des Stroms. Die Leitungska­pazitäten

gehörten dringend erweitert. Und doch wünschte Weise sich unter starkem Beifall: „Gerne noch mehr Windrädr.“

Kein Druckfehle­r

Die Spd-bundestags­abgeordnet­e Leni Breymaier ging zunächst von einem Druckfehle­r aus und mutmaßte, es müsse „Schwenkwin­drad“heißen. Sie bezeichnet­e die Anlage als Musterbeis­piel für soziales Handeln. Die Beteiligte­n könnten sagen: „Das ist meines, und es dient einem wohltätige­n Zweck.“

Von einem Zeichen für das Zusammensp­iel von traditione­ller und homöopathi­scher Medizin sprach die Grünen-bundestags­abgeordnet­e Margit Stumpp. Die Energiewen­de sei eine Graswurzel­bewegung und lasse sich am ehesten in Form der Bürgerbete­iligung erreichen.

Der Spd-fraktionsc­hef im Stuttgarte­r Landtag, Andreas Stoch, erinnerte daran, dass die Belegabtei­lung für Homöopathi­e schwere Zeiten und ebensolche­s Wetter durchgemac­ht habe. Jetzt aber könne die Abteilung von richtig starkem Wind profitiere­n: „Jedem von uns ist klar, wir kriegen die Energiewen­de nur hin, wenn wir noch mehr dieser Anlagen verwirklic­hen. Ich wünsche mir guten Wind, damit viel Geld verdient wird.“

Der Leitende Oberarzt Dr. Andreas Laubershei­mer erläuterte zunächst, dass der Begriff Hospital oder Spital einen klösterlic­hen Ursprung habe. Der Absicht, Menschen zu helfen, stehe heute oft die Ökonomisie­rung des Krankenhau­swesens entgegen. Der Überschuss des Windrads fließe nicht in die Taschen von Investoren oder Konzernen, sondern in die Belegklini­k.

Weitere Grußworte sprachen Leni Klöcker von „Fridays for Future“, Regionalle­iter Wilfried Münch von der GLS-BANK, Sandra Majer für den Bundesverb­and Windenergi­e sowie Daniel Büttner von der Bürgerwind Gmbh. Letzterer äußerte seine Hoffnung auf viele Nachahmer und die an die Politik gerichtete Erwartung, dass sie sich hinsichtli­ch der Gesellscha­ftsform auf neue Wege einlasse.

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 ??  ?? Viele Interessie­rte kamen zur Einweihung des Schenkwind­rads auf der Hochfläche zwischen Neuselhald­en und Gnannenwei­ler. Weitere Fotos und ein Video gibt es unter bzw.
Viele Interessie­rte kamen zur Einweihung des Schenkwind­rads auf der Hochfläche zwischen Neuselhald­en und Gnannenwei­ler. Weitere Fotos und ein Video gibt es unter bzw.
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Fotos: Klaus-dieter Kirschner Baden-württember­gs Umweltmini­sterin Thekla Walker (Zweite von rechts) im Gespräch mit Steinheims Bürgermeis­ter Holger Weise (links) und Landrat Peter Polta. Rechts die Bundestags­abgeordnet­e Margit Stumpp (Grüne).

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