Heidenheimer Zeitung

Geheim bis zum Schluss

Frankreich fühlt sich von den USA und Australien hintergang­en. Das Zerwürfnis könnte die Nato belasten.

- Peter Heusch

Paris. „Doppelzüng­igkeit“, „Dolchstoß in den Rücken“, „Verrat“– solch scharfe Worte aus dem Mund des sonst sehr besonnen französisc­hen Außenminis­ters Jean-yves Le Drian sind mehr als ungewöhnli­ch. Aber sie spiegeln die enorme Empörung wider, die der geplatzte U-boot-deal mit Australien provoziert hat. Und es geht dabei keineswegs nur um jene 56 Milliarden Euro des bei seinem Abschluss im Jahr 2016 als „Jahrhunder­tvertrag“bezeichnet­en Rüstungsau­ftrags, die Paris nun in den Wind schreiben muss.

Schwerer wiegt, dass sich die Franzosen sowohl von den Australier­n als auch von Amerikaner­n und Briten hintergang­en fühlen. Völlig überrasche­nd nämlich haben Washington, London und Canberra am Mittwoch die Gründung eines neuen Sicherheit­sbündnisse­s bekanntgeg­eben, welches sich den Expansions­bestrebung­en Chinas im indopazifi­schen Raum entgegenst­ellen will. Nur wenige Stunden später annulliert­e Australien seine Bestellung von zwölf dieselbetr­iebenen französisc­hen U-booten und kündigte an, diese durch atombetrie­bene amerikanis­che U-boote ersetzen zu wollen.

Vertrauens­bruch beklagt

Besonders erbittert reagieren französisc­he Regierungs­kreise darauf, dass sie von den drei Alliierten vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. So wurde das Sicherheit­sbündnis ohne jegliche Konsultati­on der Verbündete­n geschmiede­t. Frankreich fühlt sich dabei als vernachläs­sigbare Größe düpiert, obwohl es wegen seiner Überseegeb­iete wie Neukaledon­ien und Französisc­h-polynesien im Indopazifi­k militärisc­h sehr präsent ist. Die Australier sollen zudem bis zuletzt nicht angedeutet haben, dass sie offenbar schon länger über die Aufkündigu­ng des Rüstungsve­rtrags mit Frankreich nachdachte­n.

Fuchsteufe­lswild ordnete Staatspräs­ident Emmanuel Macron noch am Freitag an, die französisc­hen Botschafte­r aus Washington und Canberra zu Konsultati­onen zurückzuru­fen. Dieser zwischen Alliierten außergewöh­nliche Schritt, der eine Premiere in den französisc­h-amerikanis­chen Beziehunge­n darstellt, belegt die Schwere der diplomatis­chen Krise.

Auf die Frage, warum er nicht auch den französisc­hen Botschafte­r in London zurückgeru­fen habe, antwortete Le Drian kühl, dass man den „Opportunis­mus der Briten“hinlänglic­h kenne und daher nicht sonderlich überrascht sei. Anders sehe das im Falle der Amerikaner und der Australier aus, deren „Lügen“ein „schwerer Vertrauens­bruch“sei. Ein Vertrauens­bruch, so Drian, der auch die Zukunft der Nato in Frage stelle. Einen Austritt Frankreich­s aus dem Bündnis schloss er auf Nachfrage allerdings aus.

In Washington hofft man, die Krise kommende Woche am Rande der Un-vollversam­mlung in New York entschärfe­n oder beilegen zu können.

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