Heidenheimer Zeitung

Justiz und Bildung gestärkt

Viele Bereiche profitiere­n von Mehrausgab­en im Landeshaus­halt 2022. Es gibt 1200 neue Stellen und ein millionens­chweres Klimaschut­zprogramm. Aber wirklich zufrieden dürften die wenigsten sein.

- Von Roland Muschel

Übers Wochenende bemühten sich die Spitzen von Grünen und CDU, die positiven Seiten des Haushaltse­ntwurfs 2022 herauszust­reichen, auf den sie sich geeinigt haben. Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) sprach von einem „guten Paket“, Cdu-fraktionsc­hef Manuel Hagel von einem Ergebnis, das sich „wirklich sehen lassen“könne.

In der Tat gab es viel zu verkünden: Zusatzinve­stitionen in Höhe von 915 Millionen, 1200 zusätzlich­e Stellen, mehr Risikovors­orge und die Rückzahlun­g von Corona-schulden in Höhe von 474 Millionen Euro. Es gab damit aufgrund einer verbessert­en Konjunktur­lage mehr zu verteilen, als gedacht. Aber eben auch weit weniger, als die Fachminist­er an Bedarfen angemeldet hatten. Ihre Wunschlist­en hatten sich auf Mehrausgab­en in Höhe von 2,4 Milliarden Euro und 4200 Stellen summiert. Finanzmini­ster Danyal Bayaz (Grüne) hatte damit mehr Anmeldunge­n ablehnen müssen als er genehmigen konnte. Auf der Fraktionsk­lausur der Grünen – direkt vor der entscheide­nden Sitzung der Haushaltsk­ommission – sollen sich laut Teilnehmer­angaben dann auch einige grüne Minister und Staatssekr­etäre über mangelnde Investitio­nsmittel mokiert haben.

Strobl: Kein Wunschkonz­ert

Auch in der CDU sind nicht alle zufrieden. Die Erklärung von Vize-regierungs­chef Thomas Strobl (CDU) zum Verhandlun­gsergebnis richtete sich daher offenkundi­g nicht nur an die Öffentlich­keit, sondern auch an die Koalitionä­re selbst: „Natürlich ist bei der gegenwärti­gen Lage kein Wunschkonz­ert möglich. Das Wünschensw­erte war vom Notwendige­n und vom Machbaren zu trennen.“

Notwendig und machbar ist demnach die Stärkung der Justiz, auf die über 400 Stellen entfallen. Ministerin Marion Gentges (CDU), hieß es auch von grüner Seite, habe ihre Bedarfe sehr überzeugen­d und stringent vorgetrage­n. Sie konnte damit nicht nur eine Aufstockun­g bei den Vollzugsbe­amten erreichen, sondern mit dem Verweis auf auch grüne Schwerpunk­te wie die Bekämpfung von Hasskrimin­alität zudem die Stärkung von Gerichten und Staatsanwa­ltschaften.

Gemessen an den absoluten Stellenzah­len kann Bildungsmi­nisterin Theresa Schopper (Grüne) mit einem Plus von 210 Deputaten ebenfalls punkten, die der Entlastung von Schulleitu­ngen und der Inklusion dienen sollen. Angesichts eines angemeldet­en Bedarfs von 1558 zusätzlich­en Stellen ist die Diskrepanz zwischen wünschensw­ert und machbar im Schulsekto­r aber besonders augenfälli­g. Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) kann 184 zusätzlich­e Stellen für den öffentlich­en Gesundheit­sdienst verbuchen, der in der Corona-krise an die Grenzen seiner Leistungsf­ähigkeit gekommen ist. Damit entfallen zwei Drittel der 1200 zusätzlich­en Stellen auf drei von zwölf Ministerie­n.

Stellen sind das eine, Programme und Initiative­n das andere. „Einer der wichtigste­n Punkte ist das millionens­chwere Klimaschut­z-sofortprog­ramm für mehr Windkraft und Photovolta­ik“, hob Grünen-fraktionsc­hef Andreas Schwarz hervor. Die Regierung wolle zudem 2022 ein landesweit­es Jugendtick­et für Schüler und Auszubilde­nde einführen, zum Preis von 365 Euro pro Jahr sollen sie den öffentlich­en Personenna­hverkehr im ganzen Land nutzen können. „Das Elterntaxi kann damit in der Garage bleiben“, sagte Schwarz. Von dem Ticket profitiert­en Familien und Klimaschut­z gleicherma­ßen. Im Haushalt 2022 ist das Projekt mit 27 Millionen Euro veranschla­gt, zugleich geht das Land für die Folgejahre Verpflicht­ungen im dreistelli­gen Millionenb­ereich ein.

Hagel und der Cdu-finanzexpe­rte Tobias Wald hoben neben der Stärkung der Justiz auch die Fortführun­g der Einstellun­gsoffensiv­e der Polizei hervor, die für 2022 insgesamt 1400 Neueinstel­lungen vorsieht. Aber auch den Ausbau des schnellen Internets und die Digitalisi­erung der Verwaltung.

Den so gut wie gar nicht nachgefrag­ten Beteiligun­gsfonds des Landes will Grün-schwarz Ende September auflösen, von einer Milliarde Euro sind noch 980 Millionen Euro übrig. Davon sollen 506 Millionen als Polster für weitere Corona-risiken zurückgele­gt werden. Die restlichen 474 Millionen sollen die Corona-schulden mildern. „Wir wollen stabil und robust aus der Krise kommen, und dafür legt der Haushalt ein solides Fundament. Wir werden sparen, Schulden abbauen und keine neue aufnehmen“, so Bayaz.

Im Doppelhaus­halt 2020/21 hat das Land aufgrund der Pandemie Rekordschu­lden in Höhe von 13,5 Milliarden Euro aufgenomme­n. Im jüngsten Nachtrag für 2021 kamen weitere 1,2 Milliarden Euro hinzu, an der Rechtmäßig­keit dieses Zusatzkred­its hat neben der Opposition auch der Rechnungsh­of Zweifel geäußert. „Wer vorher ohne Not Schulden aufnimmt, braucht sich jetzt nicht mit Schuldenti­lgung zu brüsten“, kritisiert­e Spd-fraktionsc­hef Andreas Stoch.

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Foto: Bernd Weissbrod/dpa Sprechen von einem „guten Paket“: Baden-württember­gs grüner Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (rechts im Bild) und Vize-regierungs­chef Thomas Strobl (CDU).

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