Bildung: Mittelmaß ist zu wenig
Wann immer man die Nachrichten hört oder sieht und die Zeitungen aufschlägt, gewinnt man den Eindruck, es gebe nur noch zwei große Herausforderungen auf unserer Welt: Corona und Klimawandel. Zweifellos sind beide Themen bedeutend, werden aber von Angst getrieben zu selten lösungsorientiert diskutiert und kommuniziert.
Insbesondere in Sachen Klima dominieren Angst, Drohung, Verzicht, Regulierung und Verbote. Wenn der wohlhabende Teil der Menschheit nicht auf den erlangten Wohlstand verzichten und der viel größere
Teil der Menschheit Wohlstand erlangen soll, sind jedoch weder Angst noch Drohung und erst recht nicht Regulierung und Verbote die richtigen Antworten. Ich sehe weltweit vor allem zwei zielführende Wege: Bildung und Innovation – von beidem deutlich mehr als bisher.
Daher wähle ich zunächst als Thema die Bildung, den wichtigsten Baustein für unsere Zukunft. Bildung beginnt mit dem Erlernen sozialen Verhaltens (leider oft mangelhaft), dem Sammeln von Erfahrung und dem Aneignen von Wissensgrundlagen im Elternhaus und in den Kindergärten.
Über das, was dann folgt, gibt es leider nicht viel Erfreuliches zu berichten. Ich widme mich „nur“dem „deutschen Bildungsdebakel“(Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung) an den allgemeinbildenden Schulen. Sie zitiert den Bundespräsidenten Roman Herzog. Dieser hatte in seiner berühmten „Ruck-rede“von 1997, also vor fast 25 Jahren, gefordert, das Bildungssystem müsse zum „Megathema unserer Gesellschaft“werden.
Und was wurde daraus? Bedrückend wenig! Die Schulqualität ist schlecht und verschlechtert sich weiter (Bildungsmonitor 2021 der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“). Die Ausstattung der Schulen, der Inhalt der Lehrpläne, die problematische Inklusion, die Lehrerausbildung, die Verbeamtung, die Vergütungsstrukturen, der Handlungsspielraum der Schulen, der Einfluss der Eltern, die Abbrecherquoten und mehr – vieles keineswegs „mega“vorbildhaft.
Geld ist nicht alles! Einleuchtend ist aber, dass Deutschland seinem Anspruch auf einen vorderen Platz im Bildungswettbewerb nie gerecht werden kann, solange die Bildungsausgaben nicht einmal dem Oecd-durchschnitt entsprechen. Von der Spitzengruppe trennen uns jährlich viele Milliarden!
Gemäß dem Bericht „Bildung in Deutschland 2020“fehlt es den Schulen zwar an qualifizierten Führungskräften, es besteht aber angeblich kein genereller Mangel an Lehrkräften, abgesehen von den Mint-fächern. Die Zusammensetzung der Lehrkörper ist aber oft ungünstig. Das hat mit der Altersstruktur zu tun und vor allem mit einem Mangel an digital handlungsfähigen Lehrkräften. Außerdem ist verbreitet noch immer keine geeignete digitale Infrastruktur vorhanden. Deshalb überrascht es nicht, dass die Qualität des Unterrichts in Corona Zeiten zusätzlich gelitten hat. „Ganztag ist eine der wichtigsten
Innovationen der letzten 20 Jahre“, so Olaf Koller, einer der führenden Bildungsexperten. Wenn es jedoch nicht nur um Hortangebote, sondern um sinnvolles Verteilen des Unterrichts über den ganzen Tag geht, bestehen aktuell noch große Mängel. Außerdem sind die Lehrinhalte nur begrenzt zeitgemäß. Faktenwissen mit kurzer Halbwertszeit dominiert, das Lehren von Zusammenhängen, das Fördern von Kreativität, das Erlernen von Methoden zur Problemlösung und Projektunterricht kommen zu kurz.
Seit Jahren ist Finnland Weltmeister bei den regelmäßig durchgeführten internationalen PISA-TESTS zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit der jeweiligen Schulsysteme. Deutschland rangiert jeweils irgendwo, nur nicht vorn. Gutes zu kopieren, wäre keine Schande!
All die Mängel führen mich zur Frage der Effizienz unseres Bildungsföderalismus. Erst unlängst wurde von hoher politischer Stelle sogar die Abschaffung des Bundesbildungsministeriums (BBM) angeregt. Das wär’s doch. Jedes Bundesland ganz sein eigener Suppenkoch Hauptsache Berlin zahlt. Es lebe die Kleinstaaterei! „Der Bildungsföderalismus funktioniert nicht“, so Lehrerpräsident Heinz-peter Meidinger. Ich schlage deshalb eine radikale Wende vor. Die Verantwortung für die Bildung zentral beim BBM ansiedeln und, auf der Basis eines bundeseinheitlichen Rahmens, der Selbstverantwortung der einzelnen Bildungsträger viel mehr Raum geben. So ließe sich viel Geld sparen, die Effizienz steigern und vermutlich auch die Motivation der Lehrkräfte heben.
Als vor zwei Jahren Corona über uns hereinbrach, haben wir ratzfatz viele Kitas und Schulen geschlossen, weil nur noch die Epidemiologie entscheidungsrelevant war, nicht aber, wie Frau Prof. Allmendinger zutreffend feststellt, „andere Risikofaktoren wie Lernverluste, psychische Belastung, Gewalterfahrung, Bewegungsmangel“, sowie soziale und räumliche Isolation. Ein problematisches Vorgehen, unter anderem Folge einer schlechten Impfstrategie. Zugegeben, hinterher ist man schlauer!
Roman Herzog meinte, wir hätten kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Ich meine, wir haben immer noch beides. Die Zeit drängt. „Mit Mittelmaß kann Deutschland sein Wohlstandsmodell nicht mehr lange verteidigen“warnt unsere Bundesbildungsministerin.