Existenzielle Berührtheit
Keine Schenkelklopfer: Im Lokschuppen sorgte das Duo Blözinger vielmehr für Nachdenklichkeit.
Das Kabarettisten-duo „Blözinger“besteht aus Robert Blöchl und Roland Penzinger, die ihrer beider Nachnamen in ein griffiges Anagramm zusammenfassten. Seit dem Jahr 2004 sind die Oberösterreicher aus Linz unter diesem Markennamen zu einem festen Begriff in der Kabarett- und Kleinkunstszene geworden, und dies obwohl sie für diesen Job eigentlich überqualifiziert sind. Die beiden sind nämlich nicht nur ausgebildete Schauspieler, sondern auch noch ausgebildete Clowns und musikalisch sind sie auch noch. Eine Kostprobe ihres reichhaltigen Talentschatzes gaben die beiden am Dienstagabend im Heidenheimer Lokschuppen.
Im Pflegeheim
Das aktuelle Programm nennt sich „Bis morgen“und spielt sich vollständig in einem imaginierten Alten- und Pflegeheim ab. Blöchl und Penzinger verwenden außer drei Stühlen keine Requisiten und spielen auf engstem Raum, ohne die Bühne vollständig auszunutzen. Das fordert die Aufmerksamkeit des Zuschauers heraus, der seine Phantasie zum Bühnengeschehen mitschwingen lassen muss, und nimmt ihm auf der anderen Seite auch die Möglichkeit, sich von Details ablenken zu lassen. Das ist also rein psychologisch betrachtet schon einmal hochinteressant, was die beiden da treiben, zumal dies die Intensität ihres Zusammenspiels noch verstärkt.
Man fühlt sich an den Klaustrophobiker Alfred Hitchcock erinnert und sein Diktum: Dialog lenkt nur ab vom Bild.
Sprache wie nebenbei
Ungewöhnlich für Kabarettisten ist auch, dass sich die beiden auf die Sprache nicht verlassen und sie eher wie nebenbei verwenden, als wäre sie ein allzu ablenkendes Detail im Spiel der Gesten und Mimiken, auf die es ankommt.
Das Clowneske spielt bei „Blözinger“sicherlich eine wichtige Rolle, aber noch viel deutlicher fällt der Hang zur Pantomime auf. Ganze Strecken des Programms werden ohne Dialog, allein mit musikalischer Untermalung bestritten, wobei traumartige Sequenzen entstehen.
Banal wie der Tod
Der sprachliche Inhalt des Stückes „Bis morgen“ist dabei so banal wie der Tod selbst, der als prominente Figur in Gestalt von Penzinger in Erscheinung tritt, um dem 82-jährigen Altenheimbewohner in Gestalt von Blöchl einen recht unerwünschten Besuch abzustatten.
Gott sei Dank gibt es in Österreich seit Ferdinand Raimund und Johann Nestroy eine lang erprobte Theatertradition, den Tod mehr oder minder zu beschwatzen, eine Bewegung, die sich hinzieht bis zum Salzburger „Jedermann“von Hugo von Hofmannsthal.
Und ein modernes „Jedermann“-spiel ist „Bis morgen“in jedem Fall – es geht jedenfalls weit über die üblichen Ansprüche eines kabarettistischen Programms hinaus. Der 82-jährige Ex-volksschullehrer Franz Huber beginnt nun also tatsächlich, dem Tod ein Ohr abzuschwatzen. Zunächst übrigens ziemlich gleichgültig, was wollte man schon gegen den Tod ausrichten? Dann aber immer ungehemmter, weil er merkt, solange er am Reden bleibt und den Tod in Schachspiel, Schafskopf und Mensch-ärgeredich-nicht verwickelt, desto länger bleibt er am Leben. Der Haken an der Sache ist: Der Tod muss liefern. Und schleicht sich vom Spieltisch weg, um sich einen anderen zu holen. Das ganze Spiel von „Blözinger“ist von einer Karl Valentinschen – der Vergleich ist nicht zu hoch gegriffen – grotesken Komik durchzogen. Aber witzig oder lustig im herkömmlichen Sinne ist es nicht; Schenkelklopfer bleiben aus, eine existenzielle Berührtheit bleibt zurück.