„Entwicklung geht in Richtung Erosion“
Die Partei verliert bei jeder Wahl an Zustimmung. Wolfgang Schroeder über eine Lega Ost und die Zukunft von Jörg Meuthen.
Berlin. Wolfgang Schroeder, Professor für Politikwissenschaft an der Uni Kassel, ist einer der führenden Experten für die AFD und begleitet regelmäßig deren Parteitage auf dem Tv-sender Phoenix. Er erklärt, warum die Partei im Osten stärker ist als im Westen und warum die Entwicklung der Linken ein mahnendes Beispiel sein sollte.
Die AFD verliert über zwei Prozent im Bund, schneidet in Berlin katastrophal und in Mecklenburg-vorpommern schlecht ab. Trotzdem wurde sie in Sachsen und Thüringen stärkste Kraft. Wie erklären Sie sich das? Wolfgang Schroeder:
Die Partei hat sich dort etabliert. Das sind starke Hochburgen, wo sich ein Netzwerk mit starker Resistenz gegen Veränderungen im politischen Umfeld gebildet hat. Das gilt aber nicht überall, auch nicht in Ostdeutschland, wie man in Mecklenburg-vorpommern sehen konnte. Eine starke, integrative Ministerpräsidentin hat dort auch Menschen angesprochen, die ansonsten vielleicht die AFD gewählt hätten.
Die Ost-afd gibt sich selbstbewusst. Thüringens Co-landeschef Stefan Möller sagt, es wäre gut, wenn man vom Osten lernt. Kann die West-afd denn etwas von der Ostafd lernen?
Vom Osten lernen, heißt siegen lernen, so einfach kann man das nicht übertragen. Ich denke, dass es viel mit dem Personal zu tun hat. Die AFD ist im Osten integrativer für das eigene Lager.
Liegt die Zukunft der AFD in einer „Lega Ost“oder ist das in Wahrheit nur ein Stellvertreter-krieg des radikalen und gemäßigteren Flügels?
Die Konflikte der Lager gibt es ja nicht nur zwischen Ost und West. Man muss schon zur Kenntnis nehmen, dass die Ergebnisse im Osten doppelt so hoch sind wie im Westen. Trotzdem sollte sich die AFD die Fehler der Linkspartei ganz genau anschauen. Die ist als Lega Ost gestartet und als Bettvorleger geendet. Letztlich wäre eine solche Fixierung auf den Osten schwer praktikabel, weil sie die Zerrissenheit noch stärker hervorhebt.
Die Wiederwahl von Parteichef Jörg Meuthen, dem bekanntesten Vertreter des bürgerlichen Lagers, auf dem Bundesparteitag im Dezember gilt als sehr unsicher. Was würde es für die Balance in der Partei bedeuten, wenn er abgewählt wird?
Ich gehe davon aus, dass Meuthen rausgewählt wird – und dass das keine große Absetzbewegung seines Lagers auslösen wird. Man sollte vermuten, dass eine so zerstrittene Partei an Attraktivität einbüßt, aber wir erleben bei der AFD, dass es ihr bisher nicht schadet. Ihren Anhängern scheint das nicht wichtig zu sein, denen geht es darum, ihre Negativhaltung gegenüber den herrschenden Verhältnissen zum Ausdruck zu bringen.
Das letzte Mal, dass die AFD bei einer Wahl dazugewonnen hat, war 2019 in Thüringen. Mit jeder Wahl wird sie schwächer. Könnte der Trend in Richtung fünf Prozent gehen oder ist die staatsskeptische Stammwählerschaft zu groß?
Die AFD hat viele Stammwähler und auch Potenzial für bessere Ergebnisse. Aber die Entwicklung derzeit geht eher in Richtung Erosion. Es ist durchaus denkbar, dass sie Stück für Stück schwächer und unbedeutender wird. Das hängt auch immer von den Mitbewerbern ab. Die haben gelernt, souveräner mit der AFD umzugehen. Sie wurde vom Hauptzum Nebengeräusch.