Größer, jünger, selbstbewusster – die neue Spd-fraktion
Bundestagsabgeordneter: Vielen Neu-parlamentariern der SPD, die am Dienstag zur konstituierenden Sitzung der Bundestagsfraktion erschienen, war die Überraschung über den Wahlerfolg ihrer Partei noch im Gesicht abzulesen. Etwas unbeholfen trugen sie sich in die Namenslisten vor dem Plenarsaal ein, bemüht, keine Fehler zu machen und den richtigen Weg zu finden. Einige von ihnen kandidierten seit Jahren auf aussichtslos erscheinenden Listenplätzen, dieses Mal hat es gereicht.
53 Sitze zusätzlich
206 Sitze hat die SPD im neuen Bundestag, das sind 53 mehr als nach der vorherigen Wahl im Jahr 2017. Da aber etliche Parlamentarier altershalber aufhören wie die Parteilinken Hilde Mattheis (Wahlkreis Ulm) und Lothar Binding (Heidelberg), ist die Fluktuation sehr viel größer, als es mit Blick auf die Sitze den Anschein hat. Etwa die Hälfte der 206 Abgeordneten zieht zum ersten Mal in den Bundestag an – und entsprechend den Altersdurchschnitt in der Fraktion nach unten. Er liegt jetzt bei 45 Jahren, wie Spd-fraktionschef Rolf Mützenich vor der Sitzung bekanntgibt. Der jüngste Abgeordnete
in der neuen Fraktion ist der 24-jährige Jakob Blankenburg, der im Wahlkreis Lüchow-dannenberg das Direktmandat gewonnen hat. Andere, die noch jünger waren, haben es allerdings nicht ins Parlament geschafft.
Mützenich, der am Mittwoch als Fraktionschef wiedergewählt werden soll, kündigte am Morgen an, dass erste Sondierungsgespräche mit Grünen und FDP bereits in dieser Woche geführt werden könnten. Die beiden Parteien seien zu Gesprächen eingeladen worden, so der Spd-politiker. Mützenich machte aber auch klar, dass er einen anderen Gesprächsstil erwarte als bei den Verhandlungen über eine Jamaika-koalition im Jahr 2017. „Ich glaube, beide kleinen Parteien müssen sich klar darüber werden, dass das Schauspiel, was sie vor vier Jahren manchmal auf Balkonen absolviert haben, nicht den Aufgaben gerecht wird“, sagt er. Der eine oder andere mache sich bereits Gedanken darüber, auf welchem Sessel er in der Regierung Platz nehmen könne.
Viele Linke unter den Neuen
Die Verhandlungen über eine Ampel-koalition mit Grünen und FDP sind auch mit der neuen Fraktion kein leichtes Unterfangen – im Gegenteil. Denn die neugewählten Abgeordneten sind nicht nur jünger und weiblicher, sie tendieren auch eher zu linken Positionen in der SPD. Bekanntes Beispiel dafür: die Bundesvorsitzende der Jusos, Jessica Rosenthal. Sie hatte im Sommer 2020 noch via „Spiegel“verkündet, sie wolle den Kapitalismus überwinden. Und wenn sie die Wahl gehabt hätte zwischen einer Koalition mit Linken und Grünen oder der Ampel wäre ihre Präferenz eindeutig erstere gewesen. Im Wahlkampf hat die Nachfolgerin von Kevin Kühnert, der über das Direktmandat im Berliner Wahlkreis Tempelhof-schöneberg ebenfalls in den Bundestag einzog, allerdings brav für den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz geworben. 51 Jungsozialisten hatten nach einer Prognose kurz vor der Wahl gute Chancen auf einen Sitz im Bundestag. Wie viele von ihnen es tatsächlich geschafft haben, harrt noch der Auswertung.
Nicht mehr ganz jung, aber auch tendenziell links ist dieser Neuparlamentarier: Ralf Stegner. Er hat auch bereits Erfahrungen als Abgeordneter, seit 2005 war er Mitglied des schleswig-holsteinischen Landtags, seit 2008 Fraktionschef der SPD im Kieler Landtag. Als es nach dem Rückzug von Andrea Nahles darum ging, den Parteivorsitz neu zu besetzen, hatte er sich, zusammen mit Gesine Schwan, auch dafür beworben – jedoch vergeblich. Selbst in der zweiten Reihe wollten ihn die Delegierten beim Bundesparteitag 2019 nicht mehr haben, Stegner kümmerte sich seither um die Landespolitik im Norden. Den Fdp-politiker Wolfgang Kubicki und Grünen-vorsitzende Robert Habeck kennt er über die Arbeit im Landtag.
Hoher Frauenanteil
Stolz ist die Partei auf den relativ hohen Frauenanteil in der Fraktion – er liegt bei 41,8 Prozent – und den ebenfalls hohen Anteil von Abgeordneten mit Migrationshintergrund. Ein spannender Umbruch, wie ein Spd-abgeordneter befindet. Aus dem Wahlerfolg der SPD ergibt sich auch das Vorrecht, sobald sich der neue Bundestag konstituiert hat, einen neuen Bundestagspräsidenten zu wählen. Mehrere Frauen sind derzeit für das Amt im Umlauf, darunter werden Svenja Schulze und Aydan Özoguz genannt.