Heidenheimer Zeitung

Rotes Tuch für Regierungs­spitze

Vorbehalte gegen Olaf Scholz. Kann Stuttgarte­r Koalitions­vertrag Blaupause sein für Berlin?

- Roland Muschel

Stuttgart. Den Sonntagabe­nd haben Baden-württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) und sein Vize-regierungs­chef Thomas Strobl (CDU) gemeinsam in der Landesvert­retung in Berlin verbracht, um für den Südwestrun­dfunk das Bundestags­wahlergebn­is zu analysiere­n. Beide haben nach den ersten Hochrechnu­ngen, Strobl sehr offensiv, Kretschman­n etwas weniger, für ein Jamaika-bündnis geworben. Zwei Tage später äußern sich beide defensiver. Sie wissen um die fragile Stimmung in ihren Parteien und in der Öffentlich­keit.

„Ich bevorzuge erstmal gar nichts“, gibt Kretschman­n nun zu Protokoll. Er werde in den Verhandlun­gen auf Bundeseben­e sicher eine Rolle spielen, „aber keine bestimmend­e“. Die Grundentsc­heidung über die Frage, ob eine Ampel- oder eine Jamaika-koalition die bessere Wahl sei, treffe auch nicht er. Dafür seien vorrangig die Vorsitzend­en der Bundespart­ei, Annalena Baerbock und Robert Habeck, zuständig. „Das ist auch gut so.“

Strobl, der auch stellvertr­etender Cdu-bundeschef ist, spricht von „Demut“nach dem Wahlergebn­is und davon, dass die Bundes-cdu gesprächsb­ereit sei, „wenn andere mit uns sprechen wollen“. Einen Regierungs­anspruch gebe es nicht – „für niemanden“. Nicht für die Union, aber, diesen Punkt will er schon machen, auch nicht für die SPD und ihren Kanzlerkan­didaten Olaf Scholz. „Der Herr Scholz ist ja auch kein richtiger Kassenschl­ager. 75 Prozent der Deutschen haben ihn nicht gewählt.“

Scholz ist für die Stuttgarte­r Koalition aus ganz unterschie­dlichen Gründen ein rotes Tuch. Aus Sicht der CDU bedroht der Wahlsieger

ihre Machtstell­ung im Bund. Kretschman­n wiederum hat mit Scholz vor allem während dessen Amtszeit als Bundesfina­nzminister nicht die besten Erfahrunge­n gemacht. „Mein Verhältnis zu Olaf Scholz ist profession­ell“, sagt der Ministerpr­äsident. „Bei den Verhandlun­gen zur Co2-bepreisung war er der härteste Gegner in der Runde. Wir brauchen einen schnellere­n Ausstieg aus der Kohle, da beißt die Maus keinen Faden ab.“

Es ist eine ziemlich deutliche Botschaft, die Kretschman­n von Stuttgart aus nach Berlin an Scholz und dessen SPD aussendet: Wer mit uns regieren will, muss sich in der Klimapolit­ik bewegen. Strobl und seine CDU sind da in einer schwächere­n Position, sie können nur werben. In Baden-württember­g funktionie­re Grün-schwarz, sagt Strobl. „Wenn die FDP mit neuen Ideen dazukommt, ist das doch auch schön.“Ein so breites gesellscha­ftliches Bündnis könne „eine Magnetwirk­ung“haben. Den Stuttgarte­r Koalitions­vertrag empfehlen Kretschman­n wie Strobl als „Blaupause für Berlin“, schließlic­h sei es der bundesweit ambitionie­rteste in Sachen Klimaschut­z.

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Foto: Bernd Weissbrod/dpa Keine Scholz-fans: Winfried Kretschman­n (r.) und Thomas Strobl.

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