Mär von der Unfruchtbarkeit
Steht eine Impfung gegen Covid-19 einem Kinderwunsch entgegen? Das fragen sich viele junge Frauen. Sie sind verunsichert. Zu Unrecht, sagen Experten.
Simone zweifelt. Soll sie sich noch impfen lassen, oder bleibt sie bei ihrem Nein? Seit Wochen steigt der Druck auf die Erzieherin. So fordert der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, eine Impfpflicht für Erzieherinnen, Lehrkräfte und Beschäftigte in Gesundheitsberufen. Doch Simone (Name geändert) ist unsicher. Vor wenigen Monaten hat die junge Frau geheiratet. Sie und ihr Mann wünschen möglichst bald Kinder. Doch was, wenn das Vakzim die Fruchtbarkeit mindert oder das Erbgut schädigt?
Simone ist mit ihren Fragen nicht allein. Unter jungen Frauen sind Vorbehalte gegen eine Impfung weit verbreitet. Sie werden genährt durch das Internet, bei Migrantinnen auch durch Medien aus dem Heimatland. Nennenswerte Gruppen von jungen Menschen, die sich zu Altenpflegern ausbilden lassen, verweigern eine Impfung. Auch unter jungen Erzieherinnen sind die Vorbehalte groß. Das bestätigt Katharina. Sie leitet eine Ganztageskinderstätte im Südwesten. Selbst steigender Druck von Seiten der Arbeitgeber ändere nur wenig.
Erzieherinnen sind dem Coronavirus in besonderer Weise ausgesetzt. Kinder können das Virus verbreiten, ohne selbst daran erkennbar erkrankt zu sein. „Wir können uns nicht wirklich schützen“, sagt Katharina. „Die Kinder husten dich an oder wollen in den Arm genommen werden.“Da ist Abstand halten nicht möglich.
Doch was ist dran am Gerücht, dass eine Impfung unfruchtbar macht? „Impfskepsis ist kein neues Phänomen. Diese gab es schon in den 50er-jahren – des vorletzten Jahrhundert!“, verdeutlicht der Arzt Eckart von Hirschhausen gegenüber unserer Zeitung.
„Als das erste Mal die Möglichkeit bestand, sich gegen Pocken impfen zu lassen, gab es schon Gegenreaktionen.“Die Vorbehalte waren ähnlich. „Das Motiv der angeblichen Unfruchtbarkeit durch Impfungen taucht historisch bereits bei der Polio-impfung in Erscheinung.“Der große Unterschied zu früher: „Durch die sozialen Medien lassen sich empörende und verstörende Botschaften leichter verbreiten als vernünftige.“
Wahr werden diese deshalb nicht. „Wenn die Antikörper, die sowohl bei der Impfung als auch bei den Ungeimpften durch eine Infektion auftreten irgendwie die Fruchtbarkeit beeinflussen würden, wäre das aufgefallen“, betont von Hirschhausen. „Ist es aber nicht.“Auch Frauen, die eine Corona-erkrankung überwunden haben, bringen Kinder zu Welt. Wie Forscher in den USA durch Vergleichsgruppen herausgefunden haben, genauso häufig wie ungeimpfte Frauen.
Bei der Impfung mit MRNAImpfstoffen der Firmen Biontech/ Pfizer und Moderna lernt das Immunsystem, wie die Oberflächenproteine von Sars-cov-2 aussehen, die sogenannten Spike-proteine.
So kann das Immunsystem die passenden Antikörper gegen dieses Protein bilden. Diese Antikörper bekämpfen dann auch das echte Coronavirus
Das Verwirrende: Das Spike-protein und das körpereigene Syncytin-1-protein, das während einer Schwangerschaft an der Bildung der Plazenta beteiligt ist, sind verwandt. Das nährt die Sorge, dass der Körper nach einer Impfung nicht mehr zwischen dem körperfremden und dem körpereigenen Protein unterscheiden kann. Dann könnte – so die Befürchtung – der Körper das Plazenta-protein ausschalten.
Doch weitläufig verwandt heißt nicht identisch. „Diese scheinbare Ähnlichkeit reicht nicht für eine Verwechslung“, verdeutlicht Professor Udo Markert, Leiter des Placenta-labors der Uni Jena. Aus Sicht des Forschers ist das Gerücht völlig unbegründet. Mehr noch. Es schadet: Jungen Frauen, die das Risiko eingehen, selbst schwer zu erkranken und jenen, die sie anstecken. „Praktisch alle, die heute auf den Intensivstationen um ihr Leben kämpfen, sind ungeimpft“, verdeutlicht Eckart von Hirschhausen.