„Nervöser als in Vergangenheit“
ist Chefvolkswirt bei Moody’s Analytics, eine Tochtergesellschaft des Finanzdienstleisters Moody’s Corporation. Er hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, unter anderem über die Us-fiskalund Geldpolitik nach der Weltrezession. Er geht davon aus, dass den USA turbulente Wochen drohen.
Wie wird die Debatte um das gesetzliche Schuldenlimit ausgehen? Droht die erste Us-staatspleite in der Geschichte?
Mark Zandi:
Wir sollten uns anschnallen, denn das wird in den kommenden Wochen eine turbulente Reise. Natürlich geht es den Republikanern und den Demokraten beiden darum, politisch zu punkten und sich für die Kongresswahlen im November 2022 zu positionieren. Eine Einigung zur Schuldengrenze erwarte ich bestenfalls um fünf vor zwölf am 17. Oktober. Dass zumindest ein Shutdown offenbar gerade noch verhindert werden konnte, lässt gewisse Hoffnung aufkommen.
Ist nicht langfristig gesehen die wichtigere Frage der Streit um das Schuldenlimit?
Natürlich, und genau darin besteht in der Tat die große Gefahr. Kommt es nämlich zu keiner Anhebung oder Aussetzung der Grenze, dann würde dies heillose Verwirrung an den Finanzmärkten stiften. Ich kann nur hoffen, dass die Parlamentarier dies auch begreifen. Nervöser als in der Vergangenheit bin ich diesmal deswegen, weil die Parteien so tief gespalten sind und die politische Unsicherheit größer ist denn je. Notfalls müssten die Demokraten auf dem Wege des „Reconciliation“mit einer einfachen Mehrheit im Senat einen entsprechenden Beschluss fassen. Auch das geht aber nicht von heute auf morgen, und die Zeit drängt.
Wie ist es denn um die Tragfähigkeit der Schulden bestellt, die mittlerweile bereits 130 Prozent der gesamten Us-wirtschaftsleistung ausmachen?
Kurzfristig bereitet mir das keine Sorgen. Auf kurze Sicht ist nämlich der Schuldendienst das entscheidende Kriterium, und bei diesen historisch niedrigen Zinsen ist das kein größeres Problem. Auch ist zu bedenken, dass ohne diese unglaublich teuren Konjunkturpakete, welche die Verschuldung hochtrieben, wir keine Erholung gehabt hätten und wesentlich gravierendere Probleme aufgetreten wären. Dazu zählen strukturelle Probleme sowie eine längere und tiefere Rezession als wir sie hatten.