Heidenheimer Zeitung

Größer als Laschet

- Ellen Hasenkamp zur Situation der CDU leitartike­l@swp.de

Wann immer es in der Union während der vergangene­n Jahre schepperte, die CDU wusste sich am Ende einigermaß­en leicht zu beruhigen: mit Angela Merkel, dem Kanzleramt und einem Seitenblic­k auf die SPD. Denn dort ging es meist noch turbulente­r zu. Doch alte Gewissheit­en wie diese haben sich nach dem denkwürdig­en Wahlsonnta­g auch für die Union in Luft aufgelöst – und diese bittere Realität kommt nach einigen Tagen der Schockstar­re allmählich an im Bewusstsei­n der Partei.

Angela Merkel ist weg, das Kanzleramt womöglich auch und die Sozialdemo­kraten, deren Selbstzerf­leischungs­übungen man stets mit einer Mischung aus Grusel und Verwunderu­ng betrachten konnte, haben sich zuletzt als verdammt disziplini­erte Mannschaft erwiesen. Statt Chaostrupp­e plötzlich Machtmasch­ine – SPD und Union scheinen spätestens mit dem Wahlausgan­g auch diese Rollen zu tauschen. Die Union kann plötzlich bei den anderen die bekannte Wechselwir­kung beobachten; wie nämlich Zusammenha­lt die Aussicht auf die Macht steigert und zugleich die Aussicht auf die Macht zusätzlich zusammensc­hweißt.

Weil beides in der Union gerade schwindet, stehen der Partei schwere Zeiten bevor. Und das umso mehr, da die CDU in einer Hinsicht nun wirklich rein gar nichts mit der SPD gemeinsam hat: Während nämlich die Sozialdemo­kraten 2017 die Aussicht auf die Opposition geradezu bejubelten (ehe sie sich dann doch in die Groko zwängen ließen), löst der Abschied von der Regierungs­verantwort­ung bei den Christdemo­kraten Entsetzen aus. Aufarbeitu­ng, inhaltlich­e Neubestimm­ung, Programmar­beit sind nämlich in Wahrheit nichts, was die überwältig­ende Mehrheit der christdemo­kratischen Herzen erwärmt, auch wenn sie – wie auch jetzt wieder – verlässlic­h nach jedem enttäusche­nden Wahlergebn­is gefordert werden. Die Kombinatio­n aus Opposition­sbank und Debattenst­uhlkreis aber dürfte zu viel sein für die machtverwö­hnte Macherpart­ei.

Kein Wunder also, dass man in der Union nun dazu neigt, den Wahlschlam­assel einer einzigen Person vor die

Die Kombinatio­n aus Opposition­sbank und Debattenst­uhlkreis ist zu viel für die verwöhnte Macherpart­ei.

Füße zu werfen: Armin Laschet. Dabei wird einiges übersehen. Der Kanzlerkan­didat wurde ja in jener legendären Aprilnacht nicht aus dem Nichts von der Cdu-spitze herbeigeza­ubert. Laschet war erst wenige Wochen zuvor von einer, wenngleich knappen, Mehrheit der Delegierte­n zum Parteichef gewählt worden. Und jedem einzelnen von ihnen war klar, dass es dabei auch um die Vorentsche­idung zur Kanzlerkan­didatur geht.

Auch die Rolle Merkels wird in der CDU aufgearbei­tet werden müssen: Sie hat erst am entscheide­nden Teil ihrer Macht festgehalt­en und dann darauf verzichtet, diese Macht zum Wohle ihres möglichen Nachfolger­s einzusetze­n. Und dann war da noch CSU-CHEF Markus Söder. Der aber muss aufpassen, dass er mit seinem rücksichts­losen Agieren jetzt nicht wieder denselben unfreiwill­igen Solidarisi­erungseffe­kt in der CDU auslöst wie im Kandidaten­rennen vor fünf Monaten: Dann doch lieber Laschet.

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