Heidenheimer Zeitung

Teams, Termine, Temperamen­te

Schon vor dem Gespräch mit der FDP knirscht es gewaltig in der Union. Teilen der Fraktion graut es vor der Opposition­srolle.

- Ellen Hasenkamp

Berlin. Viel war am Wahlsonnta­g bei der Union von Verantwort­ung für das große Ganze die Rede. Cdu-generalsek­retär Paul Ziemiak beispielsw­eise zitierte das alte Motto: „Erst das Land, dann die Partei.“Ihr schlechtes Ergebnis, so die Binnensich­t, sollte die Schwesterp­arteien nicht davon abhalten, Deutschlan­d vor einer rot-grün-gelben „Linksregie­rung“zu bewahren – und selbst an der Macht zu bleiben. Zuletzt aber schien bei der Union alles Mögliche wichtiger zu sein, als mit FDP und Grünen über Jamaika zu reden. Runde Geburtstag­e (der von Ex-csu-ministerpr­äsident Edmund Stoiber), Gespräche mit der Basis (bei der CSU) sowie natürlich die Feierlichk­eiten am 3. Oktober. Deswegen also findet das vielleicht vorentsche­idende Gespräch zwischen CDU und CSU mit den Kollegen von der FDP nun erst am Sonntagabe­nd statt. Und dann ist dann noch Friedrich Merz, der – so zitiert es die „Bild“aus seinem Umfeld, wieder für den Parteivors­itz kandidiere­n möchte.

Die Matrix aus Bayern

Die Schuld für dieses wenig vorteilhaf­te Timing wird zwischen Christsozi­alen und Christdemo­kraten hin und her geschoben. Während von Seiten der CDU die Stoiber-feier und die bayerische­n Basisberat­ungen als Ursache betont wurden, konterte Csu-landesgrup­penchef Alexander Dobrindt: „Wir stehen die ganze Woche zur Verfügung.“Für wie wenig vorbereite­t die CSU die Schwesterp­artei unter Führung von Armin Laschet hält, hatte sie am Dienstag öffentlich gemacht. Mit Begriffen wie „Arbeitsfäh­igkeit“, „Ordnung“, „Stabilität“begründete Dobrindt, warum er Laschets Idee eines Übergangs-fraktionsc­hefs für unverantwo­rtlich hielt. Und der angereiste Parteichef Markus Söder ließ wissen, er und seine Leute hätten da schon mal „eine Matrix für denkbare Gespräche“mit möglichen Sondierung­spartnern aufgestell­t. Bei Bedarf, so klang es, dürfe sich die CDU gerne bedienen.

Doch damit nicht genug: Auch die Formation des Verhandlun­gsteams der Union sorgt für Irritation­en. Nachdem die CSU fünf Politiker benannt hatte – neben Söder und Dobrindt auch Generalsek­retär Markus Blume, Staatsmini­sterin Dorothee Bär und Parlaments­geschäftsf­ührer Stefan Müller – zog die CDU in doppelter Stärke nach: Zehn Personen – Laschet, Ziemiak, alle fünf Parteivize­s plus drei Ministerpr­äsidenten – sollen auflaufen. Dies mag eine Machtdemon­stration gegenüber der CSU sein, verstärkt aber den Eindruck, dass Laschet keine Prokura mehr hat. Für die angestrebt­e Vertraulic­hkeit lässt diese Großverans­taltung nichts Gutes erahnen. Die Grünen machen inzwischen keinen Hehl mehr daraus, dass sie die Union derzeit für unzumutbar halten.

Derweil geht – siehe Merz – die innerparte­iliche Debatte in der CDU weiter. Während die ehemalige Vorsitzend­e Annegret Kramp-karrenbaue­r ihre Partei davor warnt, sich zu sehr auf eine mögliche Regierungs­beteiligun­g zu fokussiere­n, argumentie­ren andere dagegen. „Ich halte es da mit dem alten Spd-spruch: Opposition ist Mist“, sagt die Vorsitzend­e der Unionsfrau­en im Bundestag, Yvonne Magwas, dieser Zeitung. „Wir wollen ja nicht nur Papiere produziere­n, sondern auch etwas erreichen. Das geht nun mal am besten, wenn wir regieren.“Magwas, die einen der wenigen Wahlkreise in Sachsen gegen die AFD behaupten konnte, fordert zudem mehr Augenmerk für die Konkurrenz von rechts. Die AFD habe sich „weiter profession­alisiert und ist voll kampagnenf­ähig“, warnt sie. Die Partei präsentier­e sich „als vermeintli­ch bürgerlich-konservati­v, ist aber an Haupt und Gliedern rechtsradi­kal. Das ist das Problem, und da müssen wir mit aller Kraft gegenhalte­n.“Die Union hatte am vergangene­n Sonntag im Osten besonders stark verloren und landete bei insgesamt nur 17,1 Prozent. In Thüringen und Sachsen kam die AFD auf Platz eins.

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Foto: Kay Nietfeld/dpa CDU-CHEF Armin Lascher steht nach der Wahlnieder­lage innerparte­ilich unter Druck.

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