Defizite in der Praxis
Bessere frühkindliche Bildung in Kitas ist ein zentrales Anliegen der Koalition. Experten kritisieren die mangelnde Kooperation von Grundschulen.
Die gute Nachricht zuerst: Baden-württembergs Grundlage für die pädagogische Arbeit in Kindertageseinrichtungen ist bei einer Evaluation grundsätzlich positiv bewertet worden. Zehn Jahre nach der letzten Überarbeitung soll der „Orientierungsplan für Bildung und Erziehung“nun aber modernisiert und verbindlicher werden. Fachleute beklagen unter anderem mangelnde Kooperation der Grundschulen.
Das Rahmenwerk stammt aus dem Jahr 2005 und ist zuletzt 2011 weiterentwickelt worden. Im Auftrag des Kultusministeriums hat das Zentrum für Kinder- und Jugendforschung an der Evangelischen Hochschule Freiburg ihn einer wissenschaftlichen Bewertung unterzogen. Dazu wurden alle Kita-leitungen im Land befragt und vier Fachkonferenzen veranstaltet. Die Ergebnisse wurden am Donnerstag im Stuttgarter Hospitalhof und online vorgestellt. Die Landeseinrichtung „Forum Frühkindliche Bildung Baden-württemberg“informierte anschließend über Pläne zur Weiterentwicklung.
Praxisbezug soll stärker werden
„Der Orientierungsplan ist ein wichtiges Instrument in der täglichen Arbeit der Kindertageseinrichtungen“, erklärte Kultus-staatssekretär Volker Schebesta (CDU). „Ein wichtiges Ergebnis der Evaluation ist, dass der Orientierungsplan noch stärkeren Praxisbezug haben muss.“Der Ausbau der frühkindlichen Bildung gehört zu den zentralen bildungspolitischen Vorhaben der grün-schwarzen Koalition.
In einer Podiumsdiskussion sagte Schebesta, der Orientierungsplan müsse auf Veränderungen in Gesellschaft und Familien reagieren. Fachberaterin Karin Ehinger vom Freiburger Amt für städtische Kindertageseinrichtungen betonte diesbezüglich die hohe Komplexität der Arbeit. Mit der Pforzheimer Kita-leiterin Annette Kraft war sie sich darin einig, dass Mangel an Zeit zu den größten Problemen in der Praxis gehöre.
„Der Orientierungsplan ist bekannt, er ist auch als Marke beliebt“, berichtete Studienleiterin Dörte Weltzien. „Viele sagen, er soll sich nicht grundlegend verändern, zum Beispiel beim Bild vom Kind.“Praktiker und andere
Experten wünschen sich aber Handreichungen zu neuen oder erweiterten Themen. Sechs Bereiche wurden genannt, nämlich Natur/nachhaltigkeit, Gesundheit, Inklusion, Körperlichkeit, Kinderrechte/partizipation und Medien. Daneben besteht Weltzien zufolge Bedarf an neuen, auch interaktiven Formaten. Der derzeitige Plan stehe zwar im Regal, habe aber „fast keine Servicefunktion“. Er müsse in der Ausund Fortbildung eine größere Rolle spielen. Zudem bestehe selbst unter Experten keine Einigkeit über den Grad seiner Verbindlichkeit.
Im Evaluationsbericht ist bei diesem Thema von widersprüchlichen Formulierungen und entsprechend beliebiger Anwendung die Rede. Dort wird außerdem die Zusammenarbeit zwischen Kitas und Grundschulen als „unbefriedigend“bezeichnet. Eine eigentlich verbindliche Zusammenarbeit anhand von Jahresplänen gestaltet sich aus Sicht der Experten vage. „So werden nicht nur knappe Zeitressourcen und ungünstige Rahmenbedingungen, sondern ein nach wie vor eher geringer Kooperationswille vor allem seitens der Grundschulen dafür verantwortlich gemacht, dass die Kooperationen mancherorts noch nicht zufriedenstellend funktionieren“, heißt es in einer Zusammenfassung.
Das Thema Verbindlichkeit ist auch deshalb komplex, weil die Einrichtungen von verschiedensten Trägern verantwortet werden. Ehinger lobte die Stadt Freiburg dafür, dass sie über die städtischen Förderrichtlinien Klarheit geschaffen habe. Es liege in der Verantwortung der Träger, Qualitätsstandards wirksam zu verankern, sagte die Leiterin des Forums Frühkindliche Bildung (FFB), Nataliya Soultanian.