Frauen in Hölle des Nordens
Nach 125 Jahren erreicht die Gleichberechtigung das berüchtigte Kopfsteinpflasterrennen Paris-roubaix. Der Wetterbericht sagt Regen voraus.
Das Gesicht verschmiert mit Dreck und Matsch, die Finger taub von permanenten Erschütterungen, der ganze Körper für Tage eine Ruine: Die Hölle des Nordens verlässt niemand ohne Spuren. „Paris-roubaix ist das Rennen, bei dem man den Kopf ausstellen und gar nicht überlegen sollte“, sagte der deutsche Radprofi Nils Politt: „Sonst hat man keine Chance.“
Lange hat sich kein Fahrer dieser Prüfung stellen können, am Sonntag hat das Warten ein Ende. 903 Tage nach der bislang letzten Auflage ruft das legendäre Kopfsteinpflaster von Paris-roubaix – und es lässt tags zuvor erstmals auch die Frauen seine ganze Brutalität spüren. beide Rennen einst dabei ein Umstand: Im Norden Frankreichs wird am Wochenende
Regen erwartet. Der Klassiker wird noch spektakulärer.
„Wenn die Wettervorhersage annähernd stimmt, wird das Rennen einen Charakter haben, wie wir es in den letzten Jahren nie hatten“, sagte John Degenkolb: „Es wird die Fahrweise auf dem Pflaster verändern. Es wird noch mal chaotischer und hektischer sein.“Politt, der beim bislang letzten Ritt durch die „Hölle des Nordens“im Frühjahr 2019 Zweiter geworden war, pflichtete Degenkolb bei. „Selbst bei trockenen Verhältnissen ist Roubaix schon gefährlich. Umso gefährlicher wird es bei Regen“, sagte der Bora-profi: „Man sollte in der Mitte des Pflasters fahren, dort ist es noch am besten. Ansonsten gilt: Kopf aus und treten.“
Paris-roubaix war im Vorjahr wegen der Corona-pandemie abgesagt worden. In diesem Jahr wurde der Termin aus dem Frühjahr in den Herbst verlegt. Letztmals war der Klassiker 2002 bei Regen ausgetragen worden. „Ich glaube, alle haben einen Heidenrespekt vor dem, was da am Sonntag auf uns wartet“, sagte Degenkolb, dessen Start nach dem Sturz bei der WM noch nicht sicher ist.
„Ich habe enorme Schürfwunden. Es ist außergewöhnlich, wie viel Haut ab ist“, sagte Degenkolb, der am Freitag nach Paris reiste. Über einen Einsatz sollte kurzfristig entschieden werden.
Sicher ist, dass 125 Jahre nach der Roubaix-premiere im Jahr 1896 am Samstag endlich auch Frauen die Besonderheit des Rennens erleben. „Wir alle haben es zigmal im Fernsehen gesehen. Die Brutalität, die Zuschauermassen, der unvergleichbare Charakter des Wettkampfes - es ist mit keinem Radrennen auf der Welt in Vergleich zu setzen“, sagte Bahn-olympiasiegerin Lisa Brennauer. Für die Entwicklung des Frauen-radsports sei Paris-roubaix „ein wichtiger Schritt nach vorne“. Und wie es Lisa Brennauer zusammenfasst: „Ich bin froh, dass ich dabei bin.“