Wir haben alle Zeit der Welt
Wuchtiger Abgang: In „Keine Zeit zu sterben“verkörpert Daniel Craig zum fünften und letzten Mal den britischen Agenten James Bond.
Er wäre doch eigentlich so gerne ein Familienmensch, dieser James Bond. Doch als Topagent des MI 6 ist ihm das wohl nicht wirklich bestimmt. Was hat er nicht schon alles an Verlusten an Freunden, Freundinnen, Kollegen, Kolleginnen und Partnerinnen ertragen müssen. Der von George Lazenby in „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“verkörperte 007 verlor kurz nach der Hochzeit seine Ehefrau Tracy, der Craig-bond in „Casino Royale“die geliebte Vesper und zwei Filme später die von Judi Dench gespielte Chefin M.
Mit der Verhaftung von Erzschurke Blofeld sollte der Weg frei sein, mit der neuen Gefährtin Madeleine Swann (Léa Seydoux) aus dem 24. Bond-epos „Spectre“ein glückliches Leben führen zu können. Doch auch im
Sondergefängnis zieht der erneut von Christoph Waltz dargestellte Dauergegner noch seine grausamen Fäden. Bond, eigentlich im Ruhestand, muss wieder ran, um die Welt und alles, was er liebt, zu retten.
Zäsur in der Reihe
„Keine Zeit zu sterben“bildet eine Zäsur in der erfolgreichen Filmreihe um den Londoner Spion. Nicht nur dass Craig nach fünf Filmen seine Walther an den Nagel hängt, sondern auch besonders deutlich in der Schilderung der Verschiebung von gesellschaftlich-moralischen Werten. Hier gibt es kein klares Gut und Böse im typischen Sinne mehr: Die Entwickler, die die im Film die Menschheit bedrohende Superwaffe geschaffen haben, sind 007s eigene Arbeitgeber – der Geheimdienst als staatliche Behörde mit einem illegalen Forschungslabor. Ein Bond-thriller als Spiegel aktueller globaler Verhältnisse.
Regisseur Cary Joji Fukunaga hat seinen Film als einen Abgesang auf den letzten verbliebenen Dinosaurier einer Agentenwelt inszeniert, die es so nicht mehr gibt. Gleichzeitig wahrt er die mit Daniel Craig als Ian Flemings Held eingeführte Linie des harten und skrupellosen Kämpfers, der seine Emotionen abschottet und in seiner tödlichen Tätigkeit eine Wunde nach der anderen davonträgt.
„Keine Zeit zu sterben“ist ein komplexer, ein psychologischer und ein vielschichtiger Bondfilm geworden – ein Höhepunkt der Serie, der auch auf Rekorde setzt: Coronabedingt war die Wartezeit auf diesen letzten Dienstantritt Craigs erheblich, das fertige Werk kommt auf stolze, aber nie langweilige 163 Minuten und hat eine enorm lange Vortitelsequenz.
Darüber hinaus ist Bond 25 eine Verbeugung vor den zuvor geschaffenen Filmen. In vielen akustischen und optischen Details wird an Klassiker der Reihe und ikonische Momente erinnert. So darf der berühmte Aston Martin DB 5 nochmal so richtig zeigen, was Q einst in ihn steckte. Und an einer Bilderwand hängen die Porträts der einstigen Mi-6chefs aus den früheren Werken.
Am deutlichsten sind aber die Bezüge zum eingangs erwähnten Lazenby-bond: Mit Madeleine fährt 007 im DB 5 auf einer steilen Bergstraße und spricht die berühmten Worte „Wir haben alle Zeit der Welt.“Wenn am Filmende dann auch noch Louis Armstrong mit dem entsprechenden Song wieder zu hören ist, ist die Welt sicher nicht in Ordnung. Aber es gibt Hoffnung.
Kino-center, ab 12