Tauofskdaenraabraumhalde
An Weinbau hätte hier wohl kaum jemand gedacht. Doch die Tagebaufolgelandschaften im Lausitzer Revier bieten interessante Hanglagen, gute Böden und viel Sonne. Der Wein ist dort längst mehr als ein Liebhaberprojekt. Zwei Winzerinnen zeigen, wie es geht.
Sie sitzen genau auf der Kohle“, sagt Tina Muthmann, „oder besser gesagt, da, wo sie früher lag.“Jahrzehntelang wurde hier Braunkohle abgebaut, die Arbeit ernährte die Menschen und wärmte die Öfen der kleenen Leute, wie sie der Schriftsteller Erwin Strittmatter nannte. Der Wolkenberg ist der erste auf einem ehemaligen Tagebau aufgeschüttete Weinberg der Lausitz. Der Tagebau „Welzow Süd“ist weitergezogen, die riesigen sogenannten Absetzer füllen die Löcher auf und schichten die Erdmassen um. An diesem warmen, windigen Sonntag haben die Hänge ihr schönstes Grün geflaggt. Seit acht Jahren betreibt Tina Muthmann den Wolkenberg, einen relativ kleinen Weinhang, im Süden Brandenburgs zwischen Drebkau und Spremberg gelegen. Nur 6,2 Hektar bewirtschaftet sie mit zwei Mitarbeitern, etwa 26 600 Reben mit 32 000 Flaschen jährlich kommen auf den Markt. Aber geht das überhaupt? Ein Weinanbaugebiet auf einer früheren Tagebaufläche. Der Kontrast, den die Fantasie herstellt, könnte größer kaum sein. Die schwarze, hässliche, zum Teil feuchte Rohbraunkohle von einst und ein eleganter Wein, der verführerisch und lebensprall ins Glas fließt. Das ist ja hier wie in der Toskana, hört man so manchen Gast auf dem Wolkenberg sagen.
Ob das funktionieren kann, hatte der Bergbaukonzern Vattenfall, der für die Rekultivierung zuständig war, schon im Jahre 2004 ausprobiert. In Zusammenarbeit mit der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus wurde das Projekt als machbar bewertet. Boden, Landschaft, Geografie und Klimaverhältnisse würden passen, so Professor Hüttl, der sich schon seit Langem mit veränderten Klimabedingungen in der Lausitz beschäftigt hatte.
2010 entsteht schließlich die Wolkenberg Gmbh, Leidenschaft und Rückschläge die Tina Muthmann seit 2014 gemeinsam mit dem Önologen Martin Schwarz führt. Die gebürtige Rheinländerin, anfangs mit nur einem Angestellten und der zeitweiligen Hilfe der Schwarz-mannschaft, muss sich hineinfinden in den Job und spürt bald, dass das als Hobby nicht zu machen ist. Sie lernt alles über Wein, verschneidet die Reben per Hand und fährt Trecker. Ihr Optimismus scheint grenzenlos, eine rheinische Frohnatur, die sich durch Probleme nicht unterkriegen lässt. Nur einmal, als die Vögel 2013 einen Großteil der Lese fraßen und dazu noch alle ihre „Kumpels“riefen, „da hab ich geweint“, sagt Muthmann.
Die Ernte in diesem Jahr könnte so gut wie nie zuvor werden, wenn nicht durch die starken Regenfälle ein Großteil mit dem echten Mehltau befallen worden wäre. Nun wurde in Windeseile entblättert, Pflanzenschutz betrieben, und gegen die Vögel hat sie seit Längerem großflächig Netze gespannt. Die Zusammenarbeit mit dem Meißener Winzer Martin Schwarz, einem erfahrenen Fachmann aus dem sächsischen Weinanbaugebiet, erweist sich als mehr als gute Wahl. Er ist, als Muthmann ihn kennenlernt, noch Kellermeister im Weingut Schloss Proschwitz Prinz zur Lippe und macht sich 2013 selbständig. Die Entscheidung ist schnell gefällt: Bei Schwarz in Meißen wird der Lausitzer Wein gekeltert.
Die Sorten sind ausgewählt und zum Teil sehr selten. Grau- und Weißburgunder sind dabei, aber auch ein Schönburger, ein Kernling ist zu haben, entstanden aus Kerner und Riesling. Der Cabernet Dorsa ist eine Züchtung aus Dornfelder und Blaufränkisch. „Barbara“ist ein Cuvée aus Spätburgunder und den Rebsorten Rondo und Cabernet Dorsa. Die heilige Barbara ist die Schutzpatronin der Bergleute. Dass sie hier einen eigenen Wein bekommt, hat etwas Symbolisches.
Schutz hätte der Wein in Brandenburg und Preußen Der „Alten Fritz“als Bremsklotz schon früher benötigt. Denn Wein gab es in der Region, wenn auch in kleinen Lagen, schon vor Hunderten Jahren. Doch Friedrich II. musste seine Soldaten versorgen und achtete darauf, dass Getreide und Kartoffeln angebaut wurden. Das Zitat „Wo ein Pflug fahren kann, soll keine Rebe wachsen“, geht auf ihn zurück. Dass er, anders als sein royaler Kollege, August der Starke von Sachsen, den feinen Genüssen des Lebens weniger zugetan war, spielte wohl auch eine Rolle. Und die Reblaus hatte ebenfalls öfter ganze Arbeit geleistet, weiß Tina Muthmann. Aber Wein gab es, so Tina Muthmann. Zahlreiche Straßennamen wie Weinbergstraße und ähnliche Zuschreibungen zeugen bis heute davon. Auch die „Kleine Eiszeit“, die Historiker und Geologen vom Beginn des 16. Jahrhunderts bis in das letzte Drittel des 17. Jahrhunderts einteilen, war wohl die Ursache für den Rückgang des Weinanbaus in Brandenburg.
„Klima haben wir auch“, sagt Tina Muthmann und lacht. „Und zwar Mikroklima“. Unwetter, die jenseits des noch verbleibenden Tagebaus heraufziehen, kommen nicht bis hierher. Sie bleiben da drüben stehen, über dem Kohleloch von Welzow-süd. Der wird aber in den 2030er-jahren beendet sein und nicht weitergeführt. Die LEAG, die Nachfolge-firma von Vattenfall, hatte es zu Beginn dieses Jahres beschlossen.
Ist der Wolkenberg mit seinen sechs Hektar nicht zu klein? „Na ja, wissen Sie, wir müssten die Fläche erweitern, das ist ja kaum zu schaffen.“Bei solch kleinen Lagen ist der Wein immer etwas teurer. Tatsächlich beginnt die Flasche vom Wolkenberg ab zehn Euro. Tina Muthmann steht täglich den ganzen Tag am Weinberg. Nur zwischen Weihnachten und Sylvester ist Ruhe. Am Sonntag bietet sie in der Saison Weinverkostungen mit Käse- und Wursthäppchen. Samstag ist reserviert für Gruppen und gelegentlich für private Feiern. Nach viel Freizeit sieht das nicht aus.
So geht es auch Cornelia Wobar. Seit neun Jahren
Wein trinken mit Wasserblick
betreibt die promovierte Landwirtin gemeinsam mit ihrem Mann Andreas das Weingut am Großräschener See. Der war früher der Tagebau Meuro. Wer hier am Hang sitzt und den Wein trinkt, sieht nichts von den Konflikten, die sich hier einst abspielten. Einerseits gab die Lausitzer Braunkohle Tausenden Menschen Arbeit und versorgte einen Großteil der Lausitz und später einen Teil des kleinen Landes DDR mit Energie. Andererseits wurden noch bis kurz vor 1989 Ortsteile von Großräschen weggebaggert und 3000 Menschen umgesiedelt. Mehr unter Zwang als freiwillig. Erst die politische Wende in der DDR hat die Bagger zum Halten gebracht.
Von den 32 Hektar Wein, die Brandenburg vorzuweisen hat – wenig im Vergleich zu den großen Weinanbaugebieten in der Pfalz, im Rheinland oder in Franken – bewirtschaften die Wobars im Süden Brandenburgs nur etwa 1,4 Hektar. Auch hier werden neue, bisher kaum bekannte Sorten angebaut. Warum das so ist? Die Winzerin Cornelia Wobar und ihr Mann bauen hier nur sogenannten „PIWI“-WEIN an. Heißt: die Reben sind pilzwiderstandsfähig gegen Mehltau und Botrytis. Schnell können diese Pilzkrankheiten einen Großteil der Ernte vernichten. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln kann beim Anbau von PIWI-REBEN um bis zu 80 Prozent reduziert werden. „Die Verbraucher schätzen Nachhaltigkeit im Weinbau immer mehr“sagt Cornelia Wobar, und Kenner wissen ohnehin, dass die Gesundheit der Trauben durch die Wetterabhängigkeit in Gefahr ist. Nur gesunde, reife Trauben können zu qualitativ hochwertigen Weinen verarbeitet werden.
Den Wobars geht es darum, Genuss und Nachhaltigkeit miteinander zu verbinden. Die Philosophie: Die Traube durch Züchtung widerstandsfähig zu machen, ist besser, als sie zu spritzen. Viele deutsche Winzer unter anderem im Badischen, in Bayern und in Württemberg gehen diesen Weg. Aber auch international tut sich da etwas. Es sind bezeichnenderweise keine großen Weinnationen, die da experimentieren: Schweden oder Russland etwa, die bisher mit Wein kaum Erfahrungen hatten. Aber wer mit Neuem beginnt, hat es immer einfacher. Drei Weiße und einen Roten bieten die Wobars
Märkischer Wein hat seinen Preis
ihren Kunden an. Auch sie sind, ähnlich wie bei Kollegin Tina Muthmann am Wolkenberg, nicht billig. Ab 13,50 Euro ab Hof geht es los. Der „Solaris“, ein gehaltvoller Weißer, erhielt 90 Punkte im „Falstaff Wein Guide 2021“. Der rote „Pinotin“, gereift im Eichenholzfass liegt bei 18 Euro, muss sich aber hinter großen Franzosen nicht verstecken. Er wurde Testsieger bei der „Falstaff PIWI Wein Trophy 2021“und wie der Weinberg selbst, mehrmals dort erwähnt. Auch der Sekt hat mit etwa 25 Euro seinen Preis, er liegt wie guter Champagner 36 Monate auf der Feinhefe. Die Wobars wurden mit Jacques Brut Nature bei der „Falstaff Sparkling Trophy 2020“mit 89 Punkten unter die besten Schaumweinerzeuger Deutschlands gewählt. >>>>