Heidenheimer Zeitung

Das Rätsel Söder

- Guido Bohsem zur Krise der Union leitartike­l@swp.de

Was will Markus Söder? Noch vor ein paar Monaten schien er nichts dringliche­r zu wünschen, als das Amt des Bundeskanz­lers. Er zog mit seiner CSU in eine beispiello­se Schlammsch­lacht gegen die Schwesterp­artei CDU, insbesonde­re gegen deren Chef Armin Laschet. Wie so oft in seiner Karriere überdrehte er dabei und zog deshalb den Kürzeren. Doch führte das beim bayerische­n Ministerpr­äsidenten nicht etwa zu einer Phase der Demut. Nein, sein Ziel schien nun zu sein, Laschet als Kanzler zu verhindern. Seine unentwegte Illoyalitä­t im Wahlkampf jedenfalls schadete Laschet mehr als die Angriffe des politische­n Gegners. Jeder spürte, das ist keine Politik, das ist persönlich.

Angesichts des Wahlergebn­isses muss man Söder beglückwün­schen. Die Union fuhr eine historisch­e Niederlage ein und Armin Laschet steht vor den Trümmern seiner Karriere. Seine einzige Chance, sich in eine Koalition mit Grünen und FDP zu retten, durchkreuz­te Söder frühzeitig, indem er ein solches Bündnis de facto vom Tisch nahm. Die Zerstörung der CDU, sie ist Markus Söder deutlich besser gelungen als sich es der blauhaarig­e Youtube-filmemache­r Rezo mit seinen Videos jemals erträumt hätte.

Was will Markus Söder? Nur Rache oder mehr? Womöglich sieht er immer noch die Chance, Kanzler zu werden. Er könnte sich wie ein Phönix aus den Cdu-überresten erheben und die Jamaika-koalition schmieden. Rechtlich wäre das möglich, denn der Bundestag und nicht der Bürger wählt den Regierungs­chef – und der muss nicht mal dem Parlament angehören. Versammelt Söder die Kanzlermeh­rheit hinter sich und nicht der Sozialdemo­krat Scholz, keine Verfassung­sklage der Welt könnte ihn stoppen.

Absurd wäre es trotzdem. Wer glaubt, die Deutschen hätten gerade in dieser Wahl nur nach Parteien und Inhalten entschiede­n und nicht nach Personen, ist entweder sehr naiv oder, wie man in Aachen und Umgebung gerne sagt, ein bisschen plemplem. Zum Wahlkampf gehört, dass die Kandidaten genau unter die Lupe genommen werden, auch, um herauszufi­nden, ob sie politisch und moralisch geeignet sind für das mächtigste Amt der Republik. Ein Tausch nach dem Ergebnis wäre sozusagen erlaubter Betrug am Wähler.

Söder könnte sich wie ein Phönix aus den Überresten der CDU erheben und „Jamaika“zusammenbr­ingen.

Was will Markus Söder? Würde er nach Berlin gehen, fielen die Würfel diesmal zu seinen Gunsten? Wahrschein­lich weiß er selbst es auch noch nicht. Doch wer ihn kennt, weiß, es würde es ihm schwerer fallen, es nicht zu tun. Die schlechter­e Alternativ­e wäre schließlic­h, in vier Jahren gegen einen mit Amtsbonus ausgestatt­eten Kanzler Scholz anzutreten – oder für immer in Bayern zu bleiben.

Es besteht jedoch noch eine ganz andere Möglichkei­t. Womöglich plant Söder längst größer und orientiert sich dabei an Österreich­s Sebastian Kurz. Die Idee, CDU und CSU unter Führung aus München zu einer tatsächlic­hen Union zu vereinen, vielleicht unter dem Titel „Liste Söder“, brächte eine völlig neue Perspektiv­e in die Politik, wäre sogar disruptiv. Und noch nie war die Gelegenhei­t so günstig wie derzeit.

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