Heidenheimer Zeitung

Schweden macht sich locker

Schweden ist in der Pandemie seinen eigenen Weg gegangen. Nun sind auch die letzten Maßnahmen beendet.

- André Anwar

Stockholm. Ein DJ spielt Musik aus den 90er-jahren. Im angesagten Timebar Club im Stockholme­r Stadtteil Hornstull herrscht seit Wochen Trubel bis 3 Uhr nachts. „Es ist richtig, wie wir das in Schweden gemacht haben. Ich war in Berlin im Urlaub, schlimm war das“, erzählt Anna Ericsson (28). „Ein richtiger Totentanz, und dann ständig diese Masken, total unangenehm.“

Um sie herum sitzen sechs Freunde, dicht aneinander­gedrängt. So war das fast während gesamten Pandemie in der gut besuchten Gastronomi­e und auch im sonstigen öffentlich­en Leben, in den nie geschlosse­nen Geschäften und an den gut gefüllten Badestränd­en in Stockholm. In Schweden hat es weder Maskenpfli­cht noch Lockdown gegeben.

Nun macht sich das Land noch lockerer. Vergangene­n Mittwoch fielen die auf Freiwillig­keit basierende­n Empfehlung­en und die wenigen Restriktio­nen. So gelten keine Teilnehmer­obergrenze­n mehr für Veranstalt­ungen. Selbst die Empfehlung zum Homeoffice ist gefallen. Dabei war sie erfolgreic­h: So waren U-bahnen und Busse in Stockholm deutlich leerer als in Berlin.

Das Hauptziel wurde trotz Lockdown-verzichts erreicht: Schwedens Gesundheit­ssystem war nie überlastet. Begründet hat das die Gesundheit­sbehörde mit der hohen Impfrate. Mehr als 83 Prozent der über 16-Jährigen haben mindestens eine Impfung, über 76 Prozent ihre zweite. Deshalb verteidigt Ministerpr­äsident Stefan Löfven den Sonderweg: „Ich bereue ihn nicht.“

Gerade wegen der hohen Todeszahle­n zu Beginn der Pandemie wurde Schweden im Ausland scharf kritisiert. Im weiteren Verlauf glichen sich die Covid-werte jedoch an. Schweden schaute nie auf Inzidenzra­ten, sondern auf die Anzahl von Intensivpa­tienten und Todesfälle­n. „Das sind verlässlic­he Indikatore­n“, sagt Anders Tegnell, der Chef der schwedisch­en Gesundheit­sbehörde, dieser Zeitung. Die Zahl der Neuinfekti­onen sei das nicht. Er und seine Experten vom Gesundheit­samt hatten während der gesamten Pandemie das Sagen. Im Unterschie­d zu anderen Ländern hielten sich die Politiker zurück.

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Foto: Jonas Ekstromer/afp Der Chef der schwedisch­en Gesundheit­sbehörde Anders Tegnell.

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