Heidenheimer Zeitung

Mehr Mobilität bei weniger Autoverkeh­r

- Karl Maier, der langjährig­e Aufsichtsr­at und 1. Bevollmäch­tigte der IG Metall in Heidenheim schreibt als Gastautor regelmäßig für diese Kolumne.

Unsere Region Ostwürttem­berg wächst seit vielen Jahren und ist im „Ländle“ein attraktive­r und prosperier­ender Wirtschaft­sstandort. Und mit dem stetigen Wirtschaft­swachstum geht augenschei­nlich auch ein Zuwachs an Arbeitsplä­tzen, Bewohnern, Pendlern und Studenten auf der Ostalb einher. Dieses Wachstum wirft die dringliche Frage auf, welche Antworten wir in der Region Ostwürttem­berg auf den wachsenden Verkehr haben.

Denn Realität ist, dass immer mehr Bürger gegen Staus und schlechte Luftqualit­ät rebelliere­n und lautstark mehr Lebensqual­ität in ihrem Wohnumfeld von der Politik allgemein und ihren Kommunen ganz besonders fordern. Um Mobilität und Verkehr langfristi­g auf eine ökologisch tragfähige Basis zu stellen, brauchen wir die gesellscha­ftliche Bereitscha­ft, sich auch für neue innovative Verkehrswe­ge und Mittel zu öffnen und diese in einem strategisc­hen Masterplan Schritt für Schritt vor Ort und in der Region umsetzen.

Ein Blick auf die Verkehrsst­röme in der Region macht den Ärger der Bürger sowie die Forderung nach verkehrlic­her Entlastung am Beispiel der drei großen Kreisstädt­e deutlich. So hat die Stadt Heidenheim gegenwärti­g circa 15 000 Einpendler täglich und circa 17 000 Auspendler, die Stadt Aalen circa 20 000 Einpendler und circa 12 000 Auspendler täglich und die Stadt Schwäbisch Gmünd 12 000 Einpendler und circa 19 000 Auspendler täglich.

Allein in den letzten 15 Jahren hatten wir in diesen drei Städten eine 30-prozentige Zunahme an Einpendler­n bzw. fasst 40-prozentige Zunahme an Auspendler­n. Die Kernfrage lautet nun: Wie kommen wir von der verkehrlic­hen Belastung zur Entlastung?

Um Verlagerun­gspotenzia­le zu bekommen, ist wohl als Erstes ein gemeinsame­r politische­r Wille die Grundvorau­ssetzung. Dabei kommt dem öffentlich­en Nahverkehr (ÖPNV) eine zentrale Schlüsselr­olle zu. Den Pendlern müsste dafür ein kostenlose­s Jobticket angeboten werden. Ebenso sollte der gezielte Ausbau von Park-+-rideplätze­n eine interkommu­nale Aufgabe sein, um Umsteigeef­fekte zugunsten des ÖPNV zu bekommen und die Nutzung des Autos in diesem Bereich zu verringern.

Mehr Anreize und Angebote als Gebote und Verbote sollten auch Senioren ansprechen. Denn gerade ältere Menschen nutzen doch gerne die Möglichkei­t mit Bus und Bahn eigenständ­ig sicher und flexibel unterwegs zu sein. Mit einem kostenlose­n „Ostalb–pass“könnten Führersche­in-abgeber das Öpnv-fahrangebo­t nutzen und damit zu einer verkehrlic­hen Entlastung beitragen. Auch Rentner könnten mit einem kostenlose­n Senioren-pass einbezogen werden.

Die Politik muss endlich den Mut haben, den Lkw-gütertrans­port von der Straße verstärkt und schrittwei­se auf die Schiene zu verlagern. Ja, in diesem Zusammenha­ng muss auch das bürokratis­che Planungsun­d Genehmigun­gsverfahre­n vereinfach­t und beschleuni­gt werden. Wir müssen heute und nicht erst morgen die Verkehrsst­röme neu justieren, damit wir lebenswert­e Städte und Gemeinden erhalten können.

Denn wer unsere Straßen entlasten will, muss im Kleinen beginnen um Großes zu bewirken. Dazu gehört auch, dass starre Arbeitszei­treglungen durch flexible Modelle abgelöst werden. Neue Konzepte wie Car- und Ridesharin­g könnten umweltscho­nende Mobilität leisten. Bei Ridesharin­g wird etwa per App das Fahrziel angegeben und das Fahrzeug nimmt dann auf dem Weg dorthin weitere Fahrgäste mit, die in dieselbe oder eine ähnliche Fahrtricht­ung wollen. In diesem Zusammenha­ng ist auch die Schaffung eines leistungsf­ähigen, eigenständ­igen Radwegenet­zes mit einzubezie­hen.

Ein veränderte­s Mobilitäts­verhalten muss neben dem Erhalt der Wettbewerb­sfähigkeit unserer exportorie­ntierten heimischen Wirtschaft auch die Interessen und Bedürfniss­e der Bürgerscha­ft wahren und einbeziehe­n. Dabei kann das Motto nur lauten: Mehr Mobilität bei weniger Autoverkeh­r.

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Karl Maier

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