Eine Küste voller Klippen
Heute treffen sich Grüne und Union zu Vorsondierungen. Dann ist die erste Runde abgeschlossen. Wie geht es weiter?
Gut eine Woche sind die Bundestagswahlen her. Seitdem die Parteien miteinander sondieren, gibt es fast täglich neue Metaphern für die Gespräche zwischen ihnen. Vom Brücken bauen war bereits die Rede, von Schrauben, die gerade gesetzt sein müssen, und immer gehe es konstruktiv zu. Der langen Reihe an Beschreibungen für die Vorsondierungsgespräche hat Volker Wissing am Sonntag nun eine neue hinzugefügt: Klar sei, dass es Klippen gebe in den Gesprächen mit der SPD, sagte der Fdp-generalsekretär nach dem ersten Zusammentreffen mit den Sozialdemokraten am Sonntagnachmittag.
Kurz darauf setzte man sich mit der Union zusammen. Da gab es anscheinend auch noch Klippen, aber weit weniger als bei den Sozialdemokraten. Vor allem in der Steuerpolitik gebe es Differenzen zu überwinden, so Wissing am nächsten Tag im ZDF. Die Frage, die sich das ganze Land deswegen stellt, lautet: Ist die Steuer-klippe auf dem Weg zu einer Ampel-regierung überwindbar?
Erschwerend dürfte hier wirken, dass es zwischen FDP und SPD keine etablierten Kommunikationskanäle gibt. Während liberale Abgeordnete sich regelmäßig mit Grünen austauschen, gibt es solche Gesprächskreise mit der SPD nicht. Vertrauen muss neu aufgebaut, Verständnis füreinander geschaffen werden.
Äußerungen von Spd-vorstandsmitglied Kevin Kühnert, der den Fdp-vorsitzenden Christian Lindner als „Luftikus“bezeichnete oder von SPD-CHEF Norbert Walter-borjans, der von liberaler „Voodoo-ökonomie“sprach, sind hierfür sicherlich nicht hilfreich. Walter-borjans ist, nachdem Kanzlerkandidat
Olaf Scholz seinen Parteikollegen Mäßigung auferlegte, zwar zurückgerudert: Man sei noch im Wahlkampfmodus gewesen. In der FDP wurden die Äußerungen aber durchaus als Zeichen gedeutet, was in einer Koalition mit der SPD auf sie zukommen könnte.
Ähnliche Bedenken gibt es bei den Liberalen allerdings auch gegenüber der Union. Offiziell heißt es zwar stets, es gehe um Inhalte, nicht um Personen. Das personelle Tohuwabohu rund um den Cdu-chefposten relativiert jedoch die inhaltliche Nähe. Dieser müsse man auch die Solidität und
Verlässlichkeit eines möglichen Koalitionspartners gegenüberstellen, heißt es in der Fraktion.
„CDU und CSU müssen klären, ob sie wirklich eine Regierung führen wollen“, sagte auch Lindner und kritisierte zugleich Überlegungen in der Union, erst mal abzuwarten, ob Verhandlungen von Grünen und FDP mit der SPD womöglich scheitern würden. Dies könne man dem Land nicht antun; eine zügige Regierungsbildung sei nötig.
Wie es auf dem Weg dahin weitergeht, wird man vielleicht am Mittwoch erfahren. Die FDP will die Gespräche zwischen Union und Grünen am Dienstagvormittag abwarten und sich dann noch mal mit den Grünen über weitere Schritte rückkoppeln. Beide Parteien könnten miteinander absprechen, ob sie mit einem Partner, also SPD oder Union, weiter sondieren wollen. Eine weitere Möglichkeit: Es werden parallele
Dreiergespräche mit Rot und
Schwarz geführt.
Auf Letzteres könnten etwa die Äußerungen Lindners hinweisen, der mit der Union „ernsthafte“Gespräche führen will. Aber auch Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) hat ihre Partei davor gewarnt, sich frühzeitig auf die SPD als Regierungspartner festzulegen. Was damit zu tun haben könnte, dass sie in der Hansestadt bereits mit Scholz verhandelt hat und hautnah erleben konnte, dass er ein gewiefter Taktiker ist. Wichtig in den Gesprächen mit Scholz sei, „ausgeschlafen zu sein“und „ein Pokerface“aufzusetzen. Sie mahnte zudem, nicht zu vergessen, dass es eben auch Alternativen zur Ampel gebe – Jamaika.
Allerdings sind auch zwischen Grünen und Union die Klippen zuletzt größer geworden. So gehe man zwar „offen“in die Gespräche mit CDU und CSU, sagte Parteichefin Annalena Baerbock am Wochenende in Berlin. Allerdings ist man in der Fraktion und Partei nicht nur irritiert über das Personal-chaos in der Union. Auch das Gebaren führender Unionspolitiker, die im Wahlkampf noch scharf vor einem links-grünen Bündnis gewarnt hatten, nur um sich nach den ersten Hochrechnungen an die Grünen anzuschmiegen, sorgte für Irritationen. Diese 180-Grad-wende habe Vertrauen gekostet, sagte jüngst Fraktionsvize Konstantin von Notz.
Gegen eine grün-gelb-schwarze Koalition spricht zudem, dass die Basis querschießen könnte. Die Grünen wollen ihre Parteimitglieder nicht nur über einen Koalitionsvertrag und Ministerposten abstimmen lassen. Auch die Aufnahme von Koalitionsgesprächen muss laut einem Parteibeschluss von einem Parteitag abgesegnet werden. Dieser könnte einerseits als Druckmittel für Sondierungen eingesetzt werden, um möglichst viele eigene Inhalte durchsetzen zu können.
Andererseits könnte er die Grünen aber auch in die Bredouille bringen, sollte es am Ende doch auf Jamaika hinauslaufen. Denn die Parteibasis favorisiert ganz klar ein Ampelbündnis. Bereits am Wochenende will die Grüne Jugend ein Zeichen setzen und auf einem Bundeskongress gegen eine Jamaika-koalition votieren. „Es gibt nicht einen Grund für Jamaika – aber viele Gründe dagegen. Für uns kommt eine Jamaika-koalition nicht in Frage“, heißt es in einem Dringlichkeitsantrag des Bundesvorstands.
Am Mittwoch könnten sich Grüne und FDP über weitere Schritte rückkoppeln.